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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Vor dem Ersticken

by Andreas Kilb (18 Apr 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die ersten Lockerungen hin zu einem normalen Alltag lassen die Bürger in Deutschland aufatmen, bieten sie doch ein Stück Normalität. Das gilt aber nicht für den Kulturbetrieb. Im »Namen der epidemiologischen Vernunft« wird der Kultur die Luft abgedrückt. Mit diesem eindrücklichen Bild beschreibt Andreas Kilb die Situation in der Kreativbranche seit Beginn des Lockdowns sehr eindrücklich. Das radikale Bild wählt der Korrespondent der FAZ, weil die Regelungen recht willkürlich erscheinen. Warum darf ein Warenhaus auf 800 Quadratmetern seine Dienstleistung anbieten, Museen müssen aber weiterhin geschlossen bleiben? Warum schwadroniert Markus Söder bei der Pressekonferenz darüber, dass die Biergärten trotz schönem Wetter nicht öffnen dürfen, erwähnt aber die Kultur mit keinem Wort. Kultur, das ist die Konsequenz aus der Pressekonferenz des Bundes, gehört nicht zu den »Lebensmitteln« - auch wenn Monika Grütters gerne das Gegenteil behauptet. Sie wird den Genussmitteln zugeordnet, auf die die Bürgerinnen und Bürgern nun noch eine Weile verzichten müssen. Für die vielen Beschäftigen der Branche bleibt nur die demütigende Prozedur des Hartz IV-Antrags und für die vielen kleinen Veranstaltungshäuer bleibt zu hoffen, dass sie den Würgegriff noch einige Zeit aushalten können.

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tag Hartz IV Lebensmittel Monika Grütters Markus Söder
Darstellende Kunst Debatte

Dann muss der alte Hamlet wieder ran . Theater in der Corona-Krise

by Tobi Müller (08 Apr 2020)
Original source: Zeit

Es deutet sich bereits Anfang April an, die Theater in Deutschland werden nach Ostern nicht wieder öffnen. Österreich hat schon die Schließung bis Ende Juni angekündigt. Vor der Sommerpause wird es kaum mehr Aufführungen geben, selbst wenn der Normalzustand im öffentlichen Leben langsam wieder hergestellt wird. Doch im Moment treibt die Häuser wohl weniger die Frage um, wann wieder ohne Berücksichtigung von Abstandsregeln gespielt werden soll, sondern vielmehr, wie die Häuser bis dahin überleben sollen. Für selbst&a uml;ndige Künstler*innen gibt es Rettungsschirme für öffentliche Kultureinrichtungen bislang nicht. 
Dabei ist die Lage der Theater wesentlich davon abhängig, in welchem Bundesland sie sich befinden und wie die finanzielle Ausstattung vor der Krise aussah. Sind beispielsweise am Theater Basel aufgrund seiner Rechtsform Eigenkapitalanteile erlaubt, so sind viele Theater in Deutschland staatlich finanziert. Einsparungen sind da kaum möglich, da die Personalkosten den überwiegenden Teil der Ausgaben ausmachen. Andererseits wird von Stadt oder Land das Defizit vorerst aufgefangen. Allerdings ist die Frage, wie die Bezahlung der freien Mitarbeiter geregelt wird. Nicht erbrachte Leistungen, d.h. nicht kurzfristig abgesagte Vorstellungen, dürfen in der Regel nicht bezahlt werden. 
So ist auch das Residenztheater in München als staatliches Theater von Entscheidungen des Freistaats abhängig. Zwar hat der bayrische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst Bernd Sibler angekündigt: »Geld darf in dieser Krisensituation keine Rolle spielen« - wie konkret die Unterstützung für die Häuser aussehen wird, ist allerdings offen. Bernd Sibler verweist darauf, dass diese Frage erst geklärt werden kann, wenn die Höhe des Einnahmeausfalls feststeht.  
Da die Mittel, über die die staatlich finanzierten Häuser zumindest teilweise verfügen können, die Einnahmen aus Kartenverkäufen sind, ist absehbar, dass an der künstlerischen Arbeit in den kommenden Jahren gespart werden muss. Auf Gäste und freie Mitarbeiter wird man dann wohl nur noch in Einzelfällen zurückgreifen. Selbst aktuell gilt, dass nur für geleistete Arbeit bezahlt wird. Nur in Aussicht gestellte Jobs werden also nicht vergütet. 
Bei anderen Häusern, die eine andere Rechtsform haben, sieht die Lage unter Umständen ganz anders aus. So ist beispielsweise die Schaubühne in Berlin  eine gemeinnützige GmbH. D.h. sie muss ihre Gewinne nicht versteuern, kann aber theoretisch in die Insolvenz schlittern wie jedes Unternehmen. Sie ist also ein staatlich bezuschusstes Privattheater, das die Krise selbst Schultern muss. Kurzarbeit hat das Haus angemeldet, da aber noch ein Defizit aus dem vergangenen Jahr ausgeglichen werden muss, sind keine Rücklagen vorhanden. 
Was den Theatern daher droht, ist eine Schrumpfkur. Die Häuser werden nicht das Geld für neue Produktionen haben und müssen erst einmal auf ältere, d.h. auf das Repertoire zurückgreifen. Das ist allerdings nur schnell möglich, wenn die Häuser über teuren Lagerplatz für ihre Kulissen verfügen. Bis es soweit ist, dass die Häuser wieder in die Planung gehen können, versuchen sie den Kontakt zu den Besucher*innen nicht abbrechen zu lassen. Neben Streamingangeboten gibt es auch das Angebot, sich von Schauspieler*innen anrufen zu lassen. So kann man sich gegenseitig Mut zusprechen. 

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tag Theater Repertoire Rücklagen Kurzarbeit Bernd Sibler
Darstellende Kunst Bericht

»Literatur braucht Gedrängel« . Buchmarkt in der Corona-Krise

by Tom Kraushaar, Richard Kämmerlings (27 Mar 2020)
Original source: Welt

Mit der Absage der Leipziger Buchmesse traf die Coronakrise die Buchbranche bereits zu Beginn hart. Die Schließung der Buchhandlung und die Priorisierung von Haushalts- und Hygieneartikel durch Amazon trug ihr übriges zum Umsatzeinbruch der Branche bei. Im Interview berichtet Tom Kraushaar, verlegerischer Geschäftsführer des Klett-Cotta-Verlags in Stuttgart, von den Auswirkungen der Krise auf die Verlage. Neben der Beschulung seiner Kinder Zuhause besteht die Arbeit des Verlegers im Homeoffice nicht nur darin, Richtungsentscheidungen zu treffen und d ie Arbeitsabläufe im Verlag neu zu strukturieren, sondern er empfindet es auch als zentrale Aufgabe, Mitarbeiter*innen und Autor*innen zu ermutigen und für sie da zu sein. Neben dem Umsatzrückgang sieht Kraushaar vor allem in der Schließung der Buchhandlungen ein großes Problem. Diese sind bereits im Normalbetrieb oftmals von der Leidenschaft der Buchhändler*innen getragen und nun durch die Krise besonders gefährdet. Zugleich weist er darauf hin, dass nicht vergessen werden darf, dass es sich beim deutschen Buchhandel um ein »großartiges, über Jahrhunderte gewachsenes Netzwerk – eine unvergleichliche Errungenschaft von unschätzbarer wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung« handelt, das es zu schützen gilt. Der Klett-Cotta-Verlag setzt zu Beginn der Krise vor allem auf die Werbung in den Social-Media-Kanälen. Die Planungen für den Herbst sind aber erst einmal von der Krise nicht tangiert, wobei der Verleger nach wie vor hofft, dass die Frankfurter Buchmesse stattfinden wird. Um den Markt und die Kunst zusammenzubringen, d.h. um Bücher zu verkaufen, bedarf es sozialer Begegnungen – sei es auf Messen, bei Lesungen oder in der Buchhandlung. Als besonders schade empfindet es der Verleger, dass das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnete Sachbuch »Krebs fühlen« von Bettina Hitzer nun nicht die gebührende Aufmerksamkeit findet. Wie Hitzer in Bezug auf Krebserkrankungen den Umgang mit Emotionen beschreibt, wirft auch einen neuen Blick auf den Umgang der Menschen und der Gesellschaft mit Corona. Mit Blick auf die Zukunft nach der Krise zitiert Kraushaar den italienischen Autor Antonio Scurati, der ihm aus der Quarantäne in Mailand geschrieben hat: »Wenn das vorbei ist, dann gilt es, eine ganze, neue Welt aufzubauen.«

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tag Verlage Homeoffice Buchbranche Buchmesse Buchhandlungen Nähe Klett-Cotta-Verlag Bettina Hitzer Antonio Scurati
Wort Interview

Kunst in Zeiten von Corona . Museen und Bühnen sind kreativ im virtuellen Raum

by Wolfgang Ullrich (17 Mar 2020)
Original source: SWR 2

In der Coronakrise agieren Museen verstärkt im virtuellen Raum. Trotz der zahlreichen Angebote ist der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich skeptisch, dass allein durch die Zunahme des Angebots auch die Rezeption der digitalen Formate steigen wird. Die Menschen werden sich nicht durch die digitale Museumslandschaft scrollen, nur weil sie nicht ins Museum gehen können. Dennoch ist Ullrich begeistert: Die entstehenden Angebote sind phantastisch. Sie sind eine ungemeine Bereicherung und Hilfe für diejenigen, die sich professionell oder auch halbprofessionell mit Kunst beschäftigen. Ein Museumsbesuch ist aber mehr als das Betrachten von Bildern. Er ist oft mit einer Reise oder einer sozialen Komponente verbunden, die nun wegfällt. In den ersten Zeiten der Krise – so Ullrich – hat er einige Versuche der Museen im virtuellen Raum Präsenz zu zeigen, beobachtet, die ihm sehr vielversprechend erscheinen. Der Direktor der Kunsthalle Mannheim, Johann Holten stellt jeden Tag in zwei Minuten ein Werk der Sammlung vor. Wichtig ist hier, dass jemand, der eine Expertenfunktion hat, neugierig macht auf ein Werk, Hintergrundinformationen liefert oder auch eine aktuelle Deutung präsentiert. Dadurch entsteht eine Verbindlichkeit – so ein Format, das die Rezipienten an die Hand nimmt, könnte auch nach der Krise weitergeführt werden. Viele Museen haben schon in gute Medienstrategien investiert. Es reicht aber nicht, Werke abzubilden, es muss immer auch ein Kontext hergestellt Anknüpfungspunkte angeboten werden. Der virtuelle Raum bietet die Chance Kunst ganz anders zu präsentieren, denn man spielt mit einer Repräsentation. Wichtig ist aber auch hier, dass die Präsentation zeitgemäß sein sollte. Als Beispiel für Museum mit einem hervorragenden digitalen Konzept nennt Ullrich das Marta Herford. Das Museum für Kunst, Architektur, Design befindet sich in einem kleinen Ort und hat aus der Not eine Tugend gemacht. Da wenige Besucher im direkten Umfeld sind, werden die Ausstellungen über digitale Rundgänge präsentiert, die kuratorische Konzepte und Ideen, die hinter einer Ausstellung stehen, werden erläutert. Ein ähnliches Angebot könnte jetzt von den Museen realisiert werden, die aufgrund der Krise geschlossen sind.

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tag Museum virtueller Raum Kunstwahrnehmung Marta Herford Johan Holten
Bildende Kunst/Design Interview

Virus-Lektüre . »Meine Geschichte wird Wirklichkeit«

by Klaus-Peter Wolf, Maja Ellmenreich (06 Mar 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Auf einer Lesereise in der Schweiz erkrankt der Autor Klaus-Peter Wolf 2009 an der Schweinegrippe. Hilflos mit seinen eigenen Ängsten konfrontiert, musste er in der Fremde entscheiden, wie er sich nun verhalten sollte. Diese Erfahrung hat ihn so sehr beschäftigt, dass er mit »Todesbrut« einen Thriller über eine Pandemie verfasst hat. In der Fiktion bricht die Pandemie auf einer Fähre aus, die Reisende von Emden nach Borkum bringen soll. Dort dürfen sie nicht anlegen, da die Menschen Angst vor der Pandemie haben. Im Frühjahr 2020 mutet es unheimlich an, wie nah die Fiktion der Realität kommt. Hier verweist Klaus-Peter Wolf darauf, dass für ihn mit etwas Recherche der Ablauf einer Pandemie sehr gut vorauszusagen war: das Versagen der Behörden ebenso wie die Panikreaktionen der Bevölkerung. Seinen Roman versteht er als »Exorzismus gegen unsere Angst«, da im Roman vorweggenommen wird, was auf uns zukommt. So können wir bereits vorab darüber nachdenken, wie wir uns verhalten können. Da wir alle der Pandemie aktuell nicht entkommen können, hilft es, sich aktiv mit ihr auseinander zu setzen.

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tag Thriller Pandemie-Roman Recherche Klaus-Peter Wolf
Wort Interview

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The signet of facing arts joining the faces of STORM.

Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

Das Team

Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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