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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Kultur ist kein Sahnehäubchen . Warum wir Theater, Kino und Buchhandlungen jetzt sofort öffnen müssen

by Alexander Skipis (23 Feb 2021)
Original source: FAZ

Mit dem von Aristoteles in seiner Poetik eingeführten Begriff der Katharsis geht der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis, in der Kulturgeschichte sehr weit zurück, um die Auswirkungen der Pandemie auf die Bevölkerung zu beschreiben. Die Befreiung von starken Gefühlen durch die Spiegelung und das Miterleben in Kunst und Literatur ist während des Lockdowns nur sehr eingeschränkt möglich. Auch wenn die Politik versucht, die ökonomischen Ausfälle der Kulturschaffenden a uszugleichen, so gelingt es nicht, die mit dem Begriff der Katharsis umschriebenen Entlastungsfunktionen für die Konsumenten zu ermöglichen. Sein Plädoyer für die schnelle Öffnung der Kultureinrichtungen und Buchhandlungen verbindet Skipis daher mit einer Warnung vor den mentalen Schäden der Gesellschaft, die die Pandemie bereits ausgelöst hat und deren Ausmaße bislang nicht abzusehen sind.

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tag Lockdown Systemrelevanz Katharsis
Alle Sparten Kommentar

Mein Europa: Ohne Kunst und Kultur wird's still

by Carmen-Francesca Banciu (20 Nov 2020)
Original source: Deutsche Welle

Mit dem Hinweis »Ohne Kunst und Kultur wird's still« machen Kulturschaffende derzeit auf die existentielle Bedrohung der (bereits vor der Krise prekären) Kulturbranche durch den Corona-Lockdown aufmerksam. Doch was bedeutet das konkret?
Die Schriftstellerin Carmen-Francesca Banciu verdeutlicht es in ihrer Kolumne in der Deutschen Welle mit einem Aufruf von Nancy Bass Wyden, der Besitzerin des New Yorker Strand Book Shop an der Ecke 12th Street und Broadway: »Wir brauchen Hilfe.« Institutionen wie das weltberühmte Antiquariat s tehen in Angesicht der Folgen von Corona vor dem Aus, wenn sie keine Unterstützung bekommen. Das trifft nicht nur den Strand Book Shop, sondern auch »Dussmann in Berlin, Dom Knigi in Sankt Petersburg, Dominicanen in Maastricht, Libreria Aqua Alta in Venedig, Atlantic Books auf Santorini, Livraria Lello & Irmao in Porto, Desperate Literatur in Madrid, Carturesti in Bukarest« - die Liste könnte noch um viele, viele Buchhandlungen, Kulturkaufhäuser oder Plattenläden weitergeführt werden. Bei den genannten handelt es sich allesamt um Orte, an denen nicht nur Bücher verkauft wurden, sondern die auch Treffpunkte für Autor*innen, Musiker*innen, Künstler*innen, Leser*innen, Kritiker*innen und alle anderen Kulturbegeisterten waren. Orte, die aufgrund ihrer besonderen Atmosphäre zur Kulisse von Filmen wurden und deren Ausstrahlung nicht nur den europäischen Geist repräsentiert, sondern die für ihre Besucher*innen zu einer geistigen Heimat wurden. Diese kann nicht im Streaming von Musik- oder Theateraufführungen eingefangen werden. Deshalb ist der Hinweis »Ohne Kunst und Kultur wird's still« derzeit so wichtig: Wenn es still wird in der Welt, so Carmen-Francesca Banciu, wird es dunkel in uns. Das muss vermieden werden.

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tag Buchhandlungen Kulturkaufhäuser Streaming geistige Heimat Prekariat Strand Book Shop New York
Alle Sparten Gastkolumne

Corona zum Weihnachtsgeschäft: Wie es dem Buchhandel in der Krise geht

by Michael Wurmitzer (09 Nov 2020)
Original source: Der Standard

Eigentlich sehen die Umsatzzahlen für die österreichische Buchbranche in Corona-Zeiten gut aus. Nach Einbrüchen von minus 41 bzw. minus 65 Prozent im März und April, lagen die Zahlen im Herbst sogar leicht über dem Vorjahr. Sieht man sich die Zahlen aber genauer an, so wie Helmut Zechner von der Buchhandlung Heyn in Klagenfurt und Vorsitzender des Österreichischen Buchhändlerverbands, dann sieht die Lage anders aus. Nimmt man den Onlineriesen Amazon aus der Statistik heraus, dann bleibt für den stationären Buchhandel ein Jahre sminus von zwölf Prozent. Der Ausfall der Buchmesse Buch Wien und der Lockdown lassen den Buchhandel nun Schlimmstes befürchten, macht die Branche in Österreich doch im November und Dezember ein Drittel des Jahresumsatzes. Unter der fehlenden Aufmerksamkeit für Neuerscheinungen leidet nun vor allem die Gegenwartsliteratur, ob fehlende Lesungen und Veranstaltungen tatsächlich die Ursache für den Umsatzrückgang sind, ist nur schwer zu sagen. Besonders die kleinen Verlage leben von den Live-Veranstaltungen während die großen Konzerne aktuell ihre Social-Media-Aktivitäten verstärkt haben und vermehrt online-Lesungen anbieten. Andererseits haben gerade kleine Verlage ein treueres Stammpublikum. Zudem haben viele Verlage das Herbstprogramm extrem abgespeckt, große Buchhandelsketten wie Thalia setzen verstärkt auf Hygienekonzepte. Thalia bietet in Wien sogar Abholautomaten an, um einen kundenfreundlichen Service in der Krise zu bieten. Eine große Hilfe ist für die Branche aktuell auch die Senkung der Mehrwertsteuer – allerdings deutet sich jetzt schon an, dass diese nicht über den Jahreswechsel hinaus verlängert werden soll. So bleibt nur auf ein gutes Weihnachtsgeschäft zu hoffen, damit die Buchbranche in Österreich gut durch die Krise kommt.

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tag Buchhandel Verlage Buchmesse Amazon Umsatz Weihnachtsgeschäft Hygienekonzept
Wort Bericht

Louise Glück wird dem Handel nicht helfen können . Literaturnobelpreis und der Buchmarkt

by Gerrit Bartels (08 Oct 2020)
Original source: taz

Die Schwedische Akademie der Wissenschaften läutet mit der Bekanntgabe der Preisträgerin bzw. des Preisträgers des Literaturnobelpreises den Bücherherbst ein. In der Woche vor der Eröffnung der Buchmesse bekommt der Markt einen ersten Schub durch das Interesse an den ausgezeichneten Werken. Mit der Verleihung des Preises 2020 an Louise Glück hat die Nobelkommission ein zweifaches Zeichen gesetzt: Einerseits besteht sie auf der Deutungshoheit in Sachen literarischer Güte, andererseits setzt sie ein politisches Zeichen – zeigen die wenigen Photographien Louise Glück doch bei der Verleihung der National Humanities Medal durch Barack Obama im Jahr 2016.
Diese doppelte symbolische Handlung trifft den Buchhandel hart. Der Schub, der durch die Aufmerksamkeit nicht nur dem ausgezeichneten Autor, der ausgezeichneten Autorin versetzt wird, sondern auch Autor*innen im Umfeld trifft, bleibt dieses Jahr aus. Die beiden ins Deutsche übersetzte Bände von Louise Glück sind vergriffen. Kein Schaufenster kann mit ihnen dekoriert werden. Keine anderen Lyrikbände damit beworben werden. Die zwanzig bis dreißig Prozent Umsatzeinbruch, die Buchhandlungen und Verlage im Corona-Jahr verkraften müssen, können damit nicht ausgeglichen werden. Auch die Buchmesse als Besuchermagnet und Marketinginstrument fällt in diesem Jahr weitgehend aus. So bleibt den Verlagen nur auf das Weihnachtsgeschäft zu hoffen. In einer Zeit, in der das Buch mehr denn je gebraucht wird, ist das besonders bitter.

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tag Buchmarkt Buchmesse Umsatzeinbruch Lyrik Nobelpreis Louise Glück
Wort Bericht

Sprachmacht und Sachertorte . Österreichische Literatur in der Coronakrise

by Irene Binal (25 Sep 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

In einem Feature zur aktuellen Lage der österreichischen Literatur darf neben den großen Vorbildern, den Besonderheiten der Verlagslandschaft und der Kaffeehauskultur in Wien auch das gegenwärtig alle Kulturschaffenden umtreibende Thema Corona nicht fehlen.
Der Autor Michael Stavarič, der die Journalistin Irene Binal durch Wien begleitet, ist besonders von der Krise betroffen, ist doch sein aktueller Roman »Fremdes Licht« im Frühjahr erschienen. Rund 30 Lesungen wurden abgesagt, Interviews und Besprechungen blieben aus. Nach vier Jahren Arbeit fehlt nun das Einkommen und der Autor denkt darüber nach, ober sich das Leben als freischaffender Schriftsteller in den nächsten Jahren noch leisten kann.
Trotz vergleichbarer Notlage empfinden viele österreichischen Autor*innen die staatliche Unterstützung nicht als angemessen. Mit dem Projekt »Arbeit statt Almosen« hat Marlen Schachinger in dieser Situation ein Zeichen setzen wollen. Über eine Crowdfunding-Kampagne hat sie rund 20.000 € eingeworben. Die Gelder kamen überwiegend von Leser*innen und dienen dazu, nicht nur die Anthologie selbst, sondern vor allem die Honorare für die rund 20 Autor*innen zu bezahlen.

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tag Literatur Österreich Arbeit statt Almosen Marlen Schachinger Michael Stavarič Umsatzeinbruch Crowdfunding
Wort Feature

Der verzögerte Kulturinfarkt . Resilienz des Kulturbetriebs

by Dieter Haselbach, Pius Knüsel (27 Jul 2020)
Original source: Kulturmanagement

Die Corona-Krise macht die Zweiklassengesellschaft im Kulturbetrieb sichtbar. Während die öffentlich finanzierten Einrichtungen zwar Einnahmeverluste hinnehmen müssen, sind die Jobs der teilweise in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeitern sicher. Die öffentlichen Kassen übernehmen die auflaufenden kosten. Anders sieht es im privat finanzierten Bereich aus. Vom Theater über Kinos bis zu Klubs stellt sich die Frage, wie lange die Kapitaldecke ausreichen wird und ob die öffentlichen Hilfen ausreichen, um über die Krise zu kommen. Die Ple itewelle wird nicht ausbleiben. Selbständige Künstler*innen und ihre Hilfsberufe sind die Leidtragende der Krise, vor allem wenn ihre Tätigkeit Publikum voraussetzt: Live-Musiker*innen, Schauspieler*innen, Tontechniker*innen, Festivalmitarbeiter*innen, Kulturpädagog*innen, Honorarkräfte in Musikschulen und Puppenspieler*innen. Diese »unerschöpfliche Reservearme für die Institutionen« war bereits vor der Krise schlecht bezahlt. Da das Einkommen nur für die laufenden Lebenskosten ausreichte, führt dessen Wegfall direkt in eine existentielle Krise.
In Anbetracht der Tatsache, dass bereits vor der Krise über den Publikumsschwund in Kultureinrichtungen und den Bedeutungsverlust der Museen diskutiert wurden, sind die Verfasser über einen Beitrag von Tobias J. Knobloch, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, irritiert, der anmahnte, die öffentliche Finanzierung auszuweiten, um die Krisenfolgen für den Kulturbetrieb abzuwenden. In diesem Zusammenhang spricht er auch von Resilienz.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Krise die große Zeit der Kulturverbände ist. Sie versuchen nun, einen Teil von den öffentlichen Geldern abzubekommen. Anders sieht es bei den Solo-Selbständigen aus, die durch die Förderraster der Bundes- und Landesregierungen fallen. Die Kulturverbände wehren sich in dieser Situation dagegen, dass der Zugang zum ALG II der einzige Ausweg aus dieser Misere sein soll. Lediglich Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat mahnte, dass der Zugriff auf das soziale Sicherungssystem ein Segen sein, der seit vielen Jahren vier Millionen Menschen zugemutet wurde. Warum also nicht als Künstler*in in Krisenzeiten auf das soziale Netz zugreifen?
Hier kommen die Autoren zum Hauptpunkt ihres Beitrags: Viele Künstler*innen verfügen nicht über ein Geschäftsmodell, das tragfähig wäre und Rücklagen und eine sinnvolle Alterssicherung vorsieht. Krisen- und Altersvorsorge auf später zu verschieben, ist kein Modell mit Zukunft. Auch wenn der Staat aktuell freigiebig ist, muss im Kulturbereich nachhaltiges Wirtschaften Einzug halten.
Aber auch in den öffentlichen Einrichtungen offenbart die Krise des Systems. Da im öffentlichen Bereich keine Rücklagen gebildet werden dürfen, operieren die Einrichtungen immer am Rande der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Andererseits folgt man den Null-Imperativ. Es werden keine Risiken eingegangen, d.h. aber im Umkehrschluss auch, dass keine Veränderungen möglich sind.
Aktuell wird jeglicher Kritik mit dem Hinweis auf die Corona-Krise begegnet. Dennoch stellt sich die Frage, ob die gewählten Förderinstrumente zielführend sind.
In ihrem Ausblick gehen die Autoren davon aus, dass die großen staatlich finanzierten Häuser die Krise überstehen werden, viele Soloselbständige und privat finanzierte Häuser aufgeben werden. Auch der Kulturtourismus wird 2021 wieder einsetzen. Die einzige Chance der Akteur*innen besteht darin, sich neue Handlungsspielräume zu erarbeiten. Einen Kulturinfarkt vermeiden kann man aktuell nur, wenn die Förderinstrumente und Organisationsprinzipien überdacht werden und die Digitalisierung vorangetrieben wird.

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tag Museen Kulturförderung Soforthilfe Solo-Selbständige Hartz IV Olaf Zimmermann Tobias J. Knobloch
Alle Sparten Bericht

Die Buchbranche leidet und macht Verluste . Ein Virus namens Angst greift um sich

by Paul Jandl (17 Jul 2020)
Original source: Neue Züricher Zeitung

Bereits vor der Krise sah es in der Buchbranche nicht rosig aus. In den vergangenen Jahren sank die Zahl derjenigen, die sich regelmäßig ein Buch kaufen, ständig. Die Corona-Krise, während der viele zu anderen Medien wechselten und Amazon lieber Klopapier als Bücher auslieferte, verstärkte diesen Trend. Die Branche verzeichnet Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr einen Verlust von 17,5 Prozent. Und so reagieren viele Verlage mit einem Sparprogramm. Im Herbst werden weniger Neuerscheinungen zu verzeichnen sein. Mit einem »zweiten Frü hling« soll im Herbst für die Neuerscheinungen des Frühlings geworben werden, denen aufgrund der Absage der Leipziger Buchmesse und des Lockdowns die Aufmerksamkeit fehlte. Die Unterstützung der Branche kommt auch von den politischen Entscheidungsträgern. Im Programm „Neustart Kultur‟ sind rund 10 Millionen Euro für den Buchmarkt vorgesehen.
Wie sehr die Branche mit ihrer Neuerfindung ringt, zeigten die Querelen um die Frankfurter Buchmesse im Oktober. Viele Verlage haben ihre Teilnahme inzwischen abgesagt, nachdem die Verantwortlichen sehr früh beschlossen haben, die Messe mit einem alternativen Konzept durchzuführen. So denkt man in Frankfurt inzwischen darüber nach, das Branchentreffen in ein Kreativfestival umzuwandeln, in dem neben der Literatur auch Musik, Pop und Gaming präsent sind. Im Moment ist zu befürchten, dass die Angst in der Branche einen wesentlich größeren Schaden anrichtet als das Virus.

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tag Buchbranche Buchmesse Neustart Kultur Umsatzeinbruch zweiter Frühling
Wort Bericht

»Literatur ist ein Lebensmittel!« . Erste Lesungen nach der Corona-Krise

by Börsenblatt Online (19 Jun 2020)
Original source: Börsenblatt

Auch wenn Kulturveranstaltungen wieder erlaubt sind, so ist die Organisation von Lesungen für Buchhandlungen aufgrund der zu berücksichtigenden Hygieneregeln eine Herausforderung. Die Zusammenarbeit mit Kirchen, die bereits ein Hygienekonzept herausgearbeitet haben, ist daher eine Möglichkeit, um bereits geplante Veranstaltungen doch durchführen zu können. So hat die Christlichen Buch- und Kunsthandlung C. Strecker in Mühlhausen eine Lesung mit Robert Scheuer im Kirchensaal abgehalten. Die Karten für die 50 Plätze waren kurz nach e iner Rundmail an die Stammkunden ausverkauft. Die Veranstalterin Heike Strecker zeigt sich begeistert von der Dankbarkeit der Zuhörer. Ganz ähnlich sind die Erfahrungen bei einer Lesung von Sandra Lüpke in Oerlinghausen. Auch wenn die Resonanz auf die Lesungen großartig war, wollen die Buchhändlerinnen erst einmal den Herbst abwarten, bevor sie neue Lesungen organisieren, denn ökonomisch sind sie ein Wagnis. Trotz guter Verkaufszahlen am Büchertisch und ausverkaufter Lesungen müssen große Räume angemietet werden und die Betreuung der Veranstaltung ist aufgrund des Hygienekonzepts personalintensiv.

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tag Literatur Lesung Hygieneregeln
Wort Bericht

Schwer zu lesen . Keine Messe, kein Amazon, keine Aufmerksamkeit: Corona hat den Buchmarkt hart getroffen.

by Christoph Schröder (12 May 2020)
Original source: Die Zeit

Der freie Autor und Kritiker Christoph Schröder hat sich bei den Verlagen umgehört, die derzeit das erste Fazit der Coronakrise ziehen. Nachdem der Lockdown nicht nur mit den Schließungen der Buchhandlungen und der Absage der Leipziger Buchmesse, sondern auch durch reduzierte Besprechungen in Zeitungen die Branche getroffen hat, trug auch der schleppende Versand durch den Internetmarktplatz Amazon dazu bei, dass der Umsatz auf dem Buchmarkt im März auf 31 Prozent des Vorjahresmonats einbrach. Rettung kam hier vor allem von den Buchhandlungen, die Kon zepte entwickelten, wie trotz geschlossener Ladengeschäfte die Bestellungen zugestellt werden konnten und die Auslieferung so weiterhin möglich war. Dennoch ist das Frühjahrsgeschäft bei allen Verlagen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Lediglich kleinere, sehr spezialisierte Verlage konnten ihre Zahlen halbwegs stabil halten. Die Gestaltung von Verlagsprogrammen und Vorschüssen, sowie die langfristig die Zusammenarbeit mit Autor*innen muss nun neu gedacht werden. Viele Verlage haben das Herbstprogramm bereits gekürzt, um den Frühjahrstiteln noch einen Chance zu geben – aber gerade für die Autor*innen bedeutet dies Einnahmeausfälle – auch wenn einzelne Verlage sich auf den digitalen Bereich verlegen und dort Bezahlmodelle entwickeln, die zumindest eine kleine Kompensation für den Ausfall der Veranstaltungen liefern könnten. Die Bewertung der Lage ist zwiegespalten. Einerseits stellt zum Beispiel Andreas Rötzer von Matthes & Seitz fest, dass die Krise zur schnellen Optimierung von Arbeitsprozessen in den Verlagen beigetragen habe. Ein hohes Maß an Flexibilität und Kreativität beobachtet auch die Verlegerin Grusche Juncker, die Mitglied der Geschäftsführung bei der Verlagsgruppe Random House ist. Diesem Zweckoptimismus der Branche hält Jo Lendle vom Hanser Verlag entgegen, dass man sich nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass das Gesamtsystem immensen Erschütterungen ausgesetzt war, die nicht alle Akteure ökonomisch überleben werden.

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tag Buchbranche Verlage Buchmesse Herbstprogramm Umsatzeinbruch Jo Lendle Grusche Juncker Andreas Rötzer
Wort Bericht

»Es gibt in Zeiten der Angst eine große Bereitschaft zum Gehorsam« . Daniel Kehlmann über die Corona-Krise

by Daniel Kehlmann, Patrick Bauer (06 May 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Der deutsche Autor Daniel Kehlmann hat mit seiner Familie den Ausbruch der Corona-Krise in New York City erlebt und sich dann mit seiner Familie auf Montauk zurückgezogen. Im Interview berichtet er von seinen Eindrücken von der Krise, dem Umgang mit Bildern und den Folgen der Freiheitsbeschränkungen.
Daniel Kehlmann zeigt sich irritiert, wie in der Krise mit Bilder gearbeitet wird, die nur unzureichend kontextualisiert werden. Aus New York wurden in Kühlhallen gestapelte Särge gezeigt, die angeblich hier gelagert wurden, um die Toten in Ma ssengräbern zu bestatten. Tatsächlich wurden die Toten hier vorübergehend gelagert, um den Angehörigen nach den strikten Ausgangsbeschränkungen einen würdigen Abschied im Rahmen einer Trauerfeier zu ermöglichen. So wurde ein Akt der Menschenwürde in ein Angstbild umgedeutet. Die Betrachter*innen reagierten mit einer gewissen Angstlust auf diese apokalyptischen Bilder, wodurch sich die Panik in der Bevölkerung verstärkte.
In der Berichterstattung zur Krise sieht er große Unterschiede. Während er den Podcast von Christian Drosten dankbar nutzt, um sich ausgewogen über das Virus zu informieren, sieht er in den täglichen Pressekonferenzen des Robert-Koch-Instituts das »Schreckgespenst dieser Tage«: Beamte, die mit düsterer Stimme selbst modellierte, abstrakte Zahlen verkünden, auf deren Überschreitung mit Strafen für das undisziplinierte Verhalten der Bevölkerung reagiert werden müsse. Liest sich die Beschreibung Kehlmanns wie ein Text von Franz Kafka, so zeigt er doch grundsätzlich Verständnis für das Handeln in Deutschland zu Beginn der Krise, mahnt allerdings auch an, dass wir aktuell die größten Grundrechtseinschränkungen nach dem Zweiten Weltkrieg erleben, die dringend wieder aufgehoben werden müssen. Gerade im Hinblick auf die Reaktionen auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 muss man bedenken, dass man auf der Basis von Angst nicht unbedingt die richtige politische Entscheidung trifft. Die nationalen Mobilmachung und die großen Zustimmungswerte für die strengsten Zuchtmeister in der Krise irritieren ihn doch sehr. In diesem Zusammenhang sieht er auch den aktuellen Unwillen, einen Exitplan zu entwickeln. Wer jetzt zu schnell Lockerungen zulässt, könnte für das Ansteigen der Infektionszahlen verantwortlich gemacht werden. Damit wird aber auch die Chance vergeben, einen Weg zu entwickeln, wie wir dauerhaft mit dem Virus leben können. Die dauerhafte Freiheitsbeschränkung darf auf keinen Fall akzeptiert werden.
In der Buchbranche macht er sich aktuell vor allem um die kleinere Buchhandlungen Sorgen, die wie alle aktuell stillgelegten mittelständischen Unternehmen sehr unter dem Umsatzeinbruch leiden. Das Schicksal der Kultur liegt in den Händen von Menschen, denen sie gleichgültig ist – wie den Mitarbeitern des Robert-Koch-Instituts. Deren Zahlen entscheiden über die Zukunft unserer Gesellschaft, dabei handelt es sich um Größen, von den praktisch kaum vermittelbar ist, wie sie ermittelt werden.
Die Bewältigungsstrategie des Schriftstellers liegt in der Krise im Schreiben. Daniel Kehlmann arbeitet aktuell an kleinen Corona-Szenen und seinem neuen Roman. Der Blick auf seinen letzten Roman „Tyll‟ und die darin beschriebene Pest, relativiert sich der Blick auf Corona. Es gab in der Geschichte Krankheiten, die viel schlimmer gewütet haben – die Pest hatte eine Sterberate von bis zu 70 Prozent, aber andererseits auch die Renaissance ausgelöst: »Ich bezweifle, dass Covid-19 etwas vergleichbar Befreiendes bewirken kann. Aber es hat etwas Beruhigendes zu wissen, dass Menschen auch in der Mitte der Pest-Epidemie irgendwie noch ihr normales Leben weitergeführt haben.«

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tag New York Bilder Buchbranche Freiheitsbeschränkungen Robert-Koch-Institut
Wort Interview

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The signet of facing arts joining the faces of STORM.

Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

Das Team

Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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