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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

So könnte Theater . Kultur in München

by Egbert Tholl, Reinhard J. Brembeck (08 May 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

In München haben Christian Stückl, der Intendant des städtischen Volkstheaters, und Anton Biebl, Kulturreferent der Stadt München, ein Konzept für ein Theater in Coronazeiten vorgelegt, von dem nicht nur die Münchner Bevölkerung, sondern auch die Bayerische Staatsregierung aus der Zeitung erfahren hat. Das Konzept ist keine Absichtserklärung, sondern enthält konkrete Pläne zum Neustart des Spielbetriebs. Stückl hat an seinem Haus die Spielzeitpause vorverlegt und möchte am 15. Juni wieder mit dem Probenbetrieb s tarten. Die kommende Saison soll dann nicht erst im Herbst, sondern bereits am 24. Juli beginnen. Geplant sind fünf “Corona-taugliche‟ Produktionen. Auch im Haus selbst wird es Umbauten geben. Jede zweite Reihe im Zuschauerraum soll entfernt werden und nur jeder vierte Platz besetzt sein. Um den Verlust an Zuschauerplätzen auszugleichen, wird auch die Bühne bestuhlt. Zwischen den beiden so geschaffenen Tribünen wird gespielt. Grundsätzlich sollen die Aufführungen jeweils rund eine Stunde dauern und ohne Pause gespielt werden. Auf diese Weise werden nicht nur Kontakte unter den Zuschauern vermieden, es könnten auch mehrere Aufführungen hintereinander gespielt werden. Um Szenen mit intensiver Körpernähe zu umgehen, müssten neue Konzepte erarbeitet werden. Stückl verweist hier auf die Darstellung von Kussszenen in Indien, wo ein Hackbrettsignal anzeigt, dass der Zuschauer sich Nähe der Figuren denken müsse. Aber nicht nur auf der Bühne wird an Hygienekonzepten gearbeitet. Die Werkstätten sollen durch ein Minimum an Ausstattung entlastet werden. Zudem denkt Stückl darüber nach, wie auch Gastschauspieler*innen wieder eingebunden werden können.
Ob das Konzept im Alltag den erwarteten Erfolg haben wird, kann auch Stückl selbst nicht versprechen, aber er stellt damit das erste Konzept vor, dass eine Idee von Normalität für den Spielbetrieb ermöglicht. Angesichts der wieder angelaufenen Bundesliga wird der Ruf nach der Öffnung der Spielstätten lauter – auch wenn er nicht so aussehen wird, wie vor dem Lockdown. Stückl und Bibl stellen damit auch die Planungen von Bayerns Kunstminister Bernd Sibler in Frage, der die Theater erst im Herbst wieder öffnen möchte und eine Rückkehr zur Normalität erst gegeben sieht, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht. Eine solch lange Durststrecke werden Theater, Opernhäuser und Orchester nicht überstehen können.

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tag Theater Zuschauer*innen Vorstellungen Hygieneregeln Christian Stückl Anton Biebl München
Darstellende Kunst Bericht

»Ich bin der Onkel Horst des Alltags« . Feridun Zaimoglu in der Coronakrise

by Johannes Kulms (06 May 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

Der Kieler Schriftsteller Feridun Zaimoglu hat nicht damit gerechnet, dass eine Pandemie, wie er sie bislang nur aus der Science-Fiction-Literatur kannte, Realität werden könnte. »Es ist tatsächlich brutal gewesen bei mir.«, blickt er auf den Beginn der Pandemie zurück. Das Telefon stand kaum still. Eine Veranstaltungsabsage nach er anderen traf ein. Er lebt von Honoraren für Vorträge, Tantieme für Ausführungen – alle diese Veranstaltungen wurden nun abgesagt. Da für Lesungen im Vorfeld selten Verträge g eschlossen werden, sondern diese in der Regel im Nachhinein in Rechnung gestellt werden, hat er auch kaum Anspruch auf Ausfallhonorare. Der Lockdown bedeutete einen Umsatzeinbruch um 100 Prozent. Sein Antrag auf Soforthilfe ist noch immer nicht bewilligt. Hinzu kommt, dass er nicht nur seine eigenen Lebenshaltungskosten nicht aufbringen kann, sondern er bislang auch Familienmitglieder finanziell unter die Arme gegriffen hat, denen er nun nicht weiterhelfen kann. Dennoch möchte er sich nicht unterkriegen lassen. Neben den Veranstaltungsabsagen tun sich aber auch in der Krise neue Möglichkeiten auf, wenn er zum Beispiel als Ersatz für eine Lesung um einen Essay gebeten wird. »In diesen Tagen« heißt seine Reflexion über das Leben in der Pandemie, die in der Zeitung »Der Nordschleswiger« erschienen ist. Zaimoglu berichtet darin von einer Dichterin, die sich aus Angst vor Corona das Leben nahm. Vor der Ohnmacht angesichts der Pandemie flüchtete sie in den Selbstmord. Das viele Künstler*innen sich von der Politik alleingelassen fühlen, erstaunt ihn nicht. Künstler sind doch in erster Linie Unterhalter und dafür steht im Moment wenig Geld zur Verfügung. Produktiv ist er dennoch. Gemeinsam mit Günther Senke arbeitet er an einer Neuadaption von Lessings Theaterstück »Nathan der Weise«. In seiner Version bereiten Apokalyptiker aller Lager den Weltuntergang vor. Zaimoglu hat keine Computer mit Internetanschluss. Er hört kein Radio und schaltet den Fernseher selten an. Sich selbst bezeichnet er deshalb als »Aufschnapper«, der im Alltag Informationen durch Zuhören sammelt.

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tag Literatur Theater Lesung Honorar Umsatzeinbruch Soforthilfe Selbstmord Feridun Zaimoglu
Wort Bericht

Kultur in der Corona-Krise . Erwacht endlich aus der Schockstarre!

by Marco Frei, Christian Wildhagen (01 May 2020)
Original source: Neue Züricher Zeitung

»Die Stimmung kippt.« Wie ein Warnruf an die Politik klingt der Auftakt des Artikels von Marco Frei und Christian Wildhagen. Sie registrieren Unmut in der Kulturbranche, fragen nach den Ursachen des langen Stillhaltens und ermutigen Musiker*innen und Veranstalter nicht länger der Politik das Zepter zu überlassen. Die Lage ist bekannt: Zahlreiche Kulturschaffende fallen durch das Raster der aufgelegten Hilfsprogramme und müssen Grundsicherung beantragen. Zwar geben getroffene politische Entscheidungen zum Verbot von Großveranstaltungen Pla nungssicherheit, lassen aber auch die Aussichten auf die zweite Jahreshälfte als wenig erfolgversprechend erscheinen, da viele weitere Festivals und Veranstaltungen Ende April abgesagt werden mussten. Hat die Branche die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bislang klaglos mitgetragen, regt sich nun Widerstand gegen den Kahlschlag. In Deutschland ist dieser schon etwas länger zu beobachten, nachdem die Landesregierungen über Lockerungen für Biergärten und Pediküre nicht aber für die Musikbranche gesprochen haben. In einem Offenen Brief haben Anne-Sophie Mutter, Matthias Goerne, Christian Thielemann und andere Klassik-Größen nun ihren Unmut kundgetan. Dass der Protest erst so spät kommt, führen die Autoren Marco Frei und Christian Wildhagen auf ein »mangelndes Selbstwertgefühl der Künstler« zurück. Diese sind sich weder bewusst, dass sie in der Gesellschaft selbst ihre größte Lobby haben und mit der Kreativbranche als »wirtschaftlich signifikante Grösse« punkten können. Um sich Gehör zu verschaffen, bedarf es aber auch eines »Konzepts für Kultur unter den Bedingungen der Pandemie«. Das, so die Autoren, gibt es bislang nicht. Online-Angebote wie live-Konzerte oder das Streamern von Archivmaterial sind nicht nur in dem Zahl der Zugriffe von der Prominenz der Beteiligten abhängig, sie haben auch rückläufige Zugriffszahlen. Dass dem so ist und dass ein Onlineangebot weder klangtechnisch noch atmosphärisch ein Live-Kulturerlebnis ersetzen kann, ist auch den Veranstaltern bewusst. So haben sich nun vierzig Musikfestivals in Deutschland an die Bundesregierung gewandt, nicht nur mit der Bitte differenzierte Maßnahmen für unterschiedliche Veranstaltungsformen und -größen zu erlassen, sondern zugleich mit der Mahnung der »Gleichbehandlung von Kultur mit Sport, Religionsgemeinschaften und Wirtschaft«. Statt auf die Rechtsunsicherheiten und die fehlende Entscheidungsfreude der Politik mit einer Schockstarre zu reagieren, empfehlen die Autoren sich ein Vorbild an der Fußball-Bundesliga zu nehmen und selbst mit Experten Hygienekonzepte zu entwickeln. Wichtig wäre aber auch hierfür, dass die Akteure gemeinsam agieren und nicht jedes Haus an seinem eigenen Konzept arbeitet. Einzelne Orchester spielen bereits wieder. Am 1. Mai fand das traditionelle Europakonzert der Berliner Philharmoniker in reduzierter Besetzung und ohne Publikum statt. Auch das Musikkollegium Winterthur, die Münchner Philharmoniker und das Tonhalle-Orchester Zürich arbeiten an Hygienekonzepten. Dazu gibt es vor und auf der Bühne vieles zu bedenken – vor allem aber stellt sich die Frage, ob sich eine Veranstaltung unter solchen Bedienungen rechnet. So komplex die Probleme sind, sollten die Kultureinrichtungen sich nun nicht von der Politik das Heft aus der Hand nehmen lassen, sondern im Blick auf andere gesellschaftliche Bereiche die Nischen suchen, in denen Kulturarbeit möglich ist. Wenn Gottesdienste und Fußballspiele wieder möglich sind, warum sollten es Kammerkonzerte nicht sein? Zur Not müsste unter Berufung auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gleichbehandlung die Öffnung von Kulturveranstaltungen eingefordert werden. Für den Erfolg einer Klage sieht der deutsche FDP-Politiker Wolfgang Kubicki gute Chancen: »Meine Prognose ist: In einigen Wochen wird auch bei den Gerichten der Geduldsfaden reissen. Dann wird es rechtlich nicht mehr möglich sein, bestimmte Veranstaltungen zu verbieten, obwohl sie die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie andere.«

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tag Klassische Musik Konzerthäuser Gleichbehandlung Bundesliga Großveranstaltungen Onlineangebote Hygieneregeln
Musik Beitrag

»Eine Konventionalstrafe ist in jedem guten Vertrag enthalten« . Geldsorgen der Kunst

by Eva-Maria Magl (13 Mar 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Eine Katastrophe nach der anderen, so beschreibt Detlef Köhler vom Theater »Grüne Soße« in Frankfurt seinen Arbeitsalltag. Die Unsicherheit macht dem Kulturbereich zu schaffen. Wegen dem Coronavirus werden alle größeren Kultureinrichtungen in Frankfurt bis zum 10. April geschlossen, die Staatstheater in Wiesbaden und Darmstadt spielen noch, warten aber stündlich auf die Anordnung zu schließen, die Kinos denken über Maßnahmen nach, wie die Besucherströme besser gelenkt werden können. Zwar ist von erste n Notfallfonds die Rede, aber die Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen rechnen bereits jetzt mit massiven Umsatzrückgängen. Besonders betroffen sind hiervon die freischaffenden Künstler*innen. Ob und wie ihre Verdienstausfälle kompensiert werden können, ist völlig unklar. Die Bitte an Besucher*innen, von der Rückforderung für bereits bezahlte Tickets abzusehen und so das Theater zu unterstützen, kam in den letzten Tagen vom Theater Alte Brücke in Sachsenhausen. Gerade die nicht subventionierten Häuser sind auf Solidarität angewiesen, damit eine funktionierende Kulturlandschaft bestehen bleibt.

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tag Theater Kino Schließungen Kulturszene Frankfurt
Darstellende Kunst Bericht

Kreatives Kulturleben in Zeiten von Corona

by Torsten Landsberg, Sertan Sanderson (12 Mar 2020)
Original source: Deutsche Welle

Mit Beginn der Coronakrise wurden weltweit Konzerte abgesagt und Kultureinrichtungen mussten schließen. Das hindert Orchester und Ensembles nicht daran zu spielen. In Venedigs Teatro La Fenice spielte das Quartetto Dafne Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 4 in c-Moll Op. 18 Nr. 4 und Aleksander Borodins Streichquartett Nr. 2 in D-Dur vor leerem Haus und streamte live in die Wohnzimmer der Musikliebhaber. Unter dem Hashtag  #iorestoacasa versehen - »Ich bleibe zu Hause« wird in Italien nicht nur ein Zeichen der Solidari tät mit den erkrankten Menschen gesetzt, sondern ebenso gezeigt, dass Kunst und Kultur vor dem Virus nicht kapitulieren. 
Aus Konzertsälen und Wohnzimmern weltweit wird live gestreamt. Das gilt nicht nur für die klassische Musik. So hat beispielsweise die italienische Sängerin Gianna Nannini ihre Fans mit einem Hauskonzert als Maßnahme gegen die Corona-Einsamkeit überrascht. 
Die Situation ist einmalig. Selbst Geoffry Wharton, der 30 Jahre als Konzertmeister beim Gürzenich Orchester in Köln tätig war, kann sich an eine vergleichbare Welle an Konzertabsagen nicht erinnern. Besondere Sorgen macht er sich in dieser Situation um seine freiberuflichen Kolleg*innen, die eine solche Welle an Absagen ökonomisch nicht lange überstehen können. 

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tag Konzerte Onlineangebote
Musik Bericht

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The signet of facing arts joining the faces of STORM.

Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

Das Team

Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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