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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Der deutsche Staat verachtet Selbstständige und Kreative

by Sascha Lobo (09 Dec 2020)
Original source: Der Spiegel

Warum erhalten Solo-Selbständige in der Krise so wenig Unterstützung durch die GroKo? Diese Frage beschäftigt den Autor und Strategieberater Sascha Lobo in seiner Kolumne. Ausgehend von einem Interviews mit dem SPD-Politiker und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, in dem dieser darauf verwiesen hat, dass die Corona-Hilfen Mittel der Solidargemeinschaft sind. Da die Selbständigen bislang in keine Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, sind sie nun auf Transferleistungen des Staates angewiesen.  Aus diesem Grund fordert er im In terview eine Versicherungspflicht für Selbständige.
Was sich auf den ersten Blick plausibel anhört, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Versuch, Selbständigkeit in Deutschland einzudämmen. Grundsätzlich leisten die Selbständigen einen wichtigen Beitrag zur Solidargemeinschaft, indem die Rentenkasse seit Jahren zu einem Drittel mit Steuermitteln aufgefüllt wird, da die Rentenversicherung sonst pleite wäre. Die Selbständigen bezahlen also für eine Leistung, die sie selbst nicht erhalten. Eine Arbeitslosenversicherung für Selbständige ist seit der Jahrtausendwende immer wieder im Gespräch, allerdings wurde sie nie umgesetzt. Das Versäumnis, nicht Festangestellte in Sozialsysteme einzubinden, wird nun aber ins Gegenteil verwendet, da vor allem den Solo-Selbständigen vorgeworfen wird, Transferleistungen – d.h. Leistungen ohne Gegenleistungen – in Anspruch zu nehmen. Dass auch Selbständige Steuerzahler sind, wird stillschweigend übergangen. Auch der Hinweis des Finanzministers Olaf Scholz, dass die in der Pandemie besonders gebeutelten Solo-Selbständigen mit aller Kraft unterstützt werden, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Insgesamt 5.000 Euro werden ihnen bis zum kommenden Sommer angeboten, um ihre massiven Umsatzeinbußen aufzufangen. Novemberhilfen erhalten nur direkt betroffene Selbständige. Da aber gerade die Selbständigen divers aufgestellt sind, fallen sie schnell unter die 80 Prozent-Grenze, d.h. wenn sie weniger Umsätze mit direkt oder indirekt von Lockdown betroffenen Unternehmen erzielt haben, erhalten sie keine Unterstützung. Dabei sind es gerade die Solo-Selbständigen, die mit Innovationen die Wirtschaft voranbringen und unter Umständen so den Grundstein für große Unternehmen legen. Aber erst wenn Selbständige Festanstellungen generieren, erhalten sie die Anerkennung des Staates in Form von Milliardenhilfen, Staatskrediten oder Kurzarbeit.
Wie wenig die Arbeit von Kreativen und Selbständigen geachtet wird, zeigt Lobo am Beispiel der Autorin und Regisseurin Anika Decker auf. Sie hat das Buch des Megaerfolgsfilms »Keinohrhasen« geschrieben, wurde aber am Erfolg von der Produktionsfirma nicht beteiligt. Der verwertende Konzern wurde nun dazu verurteilt, die kreative Arbeit der Autorin zu honorieren, dennoch zeigt das Beispiel, wie wenig Kreativität in Deutschland geschätzt wird.
Warum hat in Deutschland die Selbständigkeit nach wie vor den Ruf unsolidarisch und irgendwie unseriös zu sein? Festanstellung hingegen wird als heilig angesehen? Ein wichtiger Grund hierfür liegt darin, dass zu viele Selbständige unsere sozialen Absicherungssysteme zu Fall bringen könnten. Ab 50 Prozent Steuermittelzuzahlung zur Rentenkasse, könnten Selbständige das System der Rente kippen, da es gegen das Gleichbehandlungssystem des Grundgesetzes verstößt. So wird ihnen wohl auch in Zukunft kein würdiges Instrument zur Altersabsicherung angeboten, stattdessen müssen sie sich Unsolidarität vorwerfen lassen.

 

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tag Festanstellung Stephan Weil Solidarität Solo-Selbständige Arbeitslosenversicherung Olaf Scholz Novemberhilfe Wertschätzung Konzerne
Alle Sparten Statement

Transformed by crisis, arts criticism may never be the same. And that’s a good thing.

by Philip Kennicott (29 Nov 2020)
Original source: Washington Post

Für Philip Kennicott hat die Pandemie die Kunstkritik von ihren gewohnten Mustern befreit und eröffnet ihr neue Perspektiven und Einsichten. Aber die Krise offenbart auch die wirtschaftliche Verwundbarkeit so vieler Menschen im Kunstbereich. Hier schwingt implizit auch ein anti-elitärer Aspekt mit: In der Pandemie wird die Verbreitung der Künste über das gesamte Land der Vereinigten Staaten nur allzu offensichtlich. Dies kommt einem Bruch mit der etablierten Vorstellung gleich, dass Künstler zwangsläufig zu den sogenannten »Kü ;steneliten« der West- oder Ostküste gehören. Für den Autor rüttelt die Krise auch an alten Regeln, wie der »kirchlich-staatliche Trennung« zwischen Künstlern und Kritikern ist. Nicht zuletzt löst die Krise eine Art disziplinierten Essentialismus aus: Wir konzentrieren uns auf das, was uns wirklich interessiert und schenken dem mehr Aufmerksamkeit. Die Kunstkritik wird folglich »persönlicher, auf den Punkt gebracht, einfühlsamer, offener und weniger formelhaft« sein.  

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tag USA Elite Kunstkritik Empathie
Bildende Kunst/Design Statement

Theater in Sachsen-Anhalt bleiben dicht: »Das ist eine Katastrophe« . Corona-Beschränkungen werden verlängert

by Luca Deutschländer (26 Nov 2020)
Original source: MDR

Die Kulturschaffenden im ganzen Land sind frustriert: Der Lockdown light wird auch in den Dezember verlängert. Janek Liebetruth, freie Regisseur und Intendant sowie Vorsitzender des Landeszentrums freies Theater in Sachsen-Anhalt bringt die Bedeutung der weiteren Schließung auf den Punkt: »Das ist eine Katastrophe«. Gerade für Theater ist der Dezember der umsatzstärkste Monat. Die Einnahmeausfälle können die Häuser kaum kompensieren. Die im Figurentheater tätige Schauspielerin Kerstin Dathe hätte bis Weihnachten r und 30 Aufführungen gehabt. Zukunftssorgen und vor allem die Frage, ob die staatlich versprochenen Hilfen tatsächlich greifen, treiben die Kulturschaffenden um. Wann sie wieder auftreten dürfen, ist ungewiss. Optimismus fällt in dieser Situation zunehmend schwer.
Liebetruth fordert, dass die wirtschaftlichen Einbußen der Kulturschaffenden aufgefangen werden müssen. Programme wie »Neustart Kultur« haben die Aufgabe ein Kultursterben zu verhindern, indem sie eine Perspektive für das kommende Jahr bieten. Was die Kulturbranche darüber hinaus benötigt, ist Planungssicherheit, denn nur diese können den Frust etwas lindern.

 

 

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tag November-Lockdown Theater Planungssicherheit Advent Kultursterben Neustart Kultur
Darstellende Kunst Bericht

Mein Europa: Ohne Kunst und Kultur wird's still

by Carmen-Francesca Banciu (20 Nov 2020)
Original source: Deutsche Welle

Mit dem Hinweis »Ohne Kunst und Kultur wird's still« machen Kulturschaffende derzeit auf die existentielle Bedrohung der (bereits vor der Krise prekären) Kulturbranche durch den Corona-Lockdown aufmerksam. Doch was bedeutet das konkret?
Die Schriftstellerin Carmen-Francesca Banciu verdeutlicht es in ihrer Kolumne in der Deutschen Welle mit einem Aufruf von Nancy Bass Wyden, der Besitzerin des New Yorker Strand Book Shop an der Ecke 12th Street und Broadway: »Wir brauchen Hilfe.« Institutionen wie das weltberühmte Antiquariat s tehen in Angesicht der Folgen von Corona vor dem Aus, wenn sie keine Unterstützung bekommen. Das trifft nicht nur den Strand Book Shop, sondern auch »Dussmann in Berlin, Dom Knigi in Sankt Petersburg, Dominicanen in Maastricht, Libreria Aqua Alta in Venedig, Atlantic Books auf Santorini, Livraria Lello & Irmao in Porto, Desperate Literatur in Madrid, Carturesti in Bukarest« - die Liste könnte noch um viele, viele Buchhandlungen, Kulturkaufhäuser oder Plattenläden weitergeführt werden. Bei den genannten handelt es sich allesamt um Orte, an denen nicht nur Bücher verkauft wurden, sondern die auch Treffpunkte für Autor*innen, Musiker*innen, Künstler*innen, Leser*innen, Kritiker*innen und alle anderen Kulturbegeisterten waren. Orte, die aufgrund ihrer besonderen Atmosphäre zur Kulisse von Filmen wurden und deren Ausstrahlung nicht nur den europäischen Geist repräsentiert, sondern die für ihre Besucher*innen zu einer geistigen Heimat wurden. Diese kann nicht im Streaming von Musik- oder Theateraufführungen eingefangen werden. Deshalb ist der Hinweis »Ohne Kunst und Kultur wird's still« derzeit so wichtig: Wenn es still wird in der Welt, so Carmen-Francesca Banciu, wird es dunkel in uns. Das muss vermieden werden.

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tag Buchhandlungen Kulturkaufhäuser Streaming geistige Heimat Prekariat Strand Book Shop New York
Alle Sparten Gastkolumne

Herbert Grönemeyer will die Reichen schröpfen

by Rainer Hank (15 Nov 2020)
Original source: FAZ

Im Wirtschaftsteil der FAZ wird der Vorschlag von Herbert Grönemeyer die Millionäre in Deutschland um einen Solidaritätsbeitrag in der Corona-Krise kritisch unter die Lupe genommen. Bereits die Begründung überzeugt den Journalisten Rainer Hank nicht. Alleine aufgrund von Familienähnlichkeit einen Beitrag für die von der Krise Gebeutelten zu zahlen, ist kein schlüssiges Argument. Zudem müsse man bedenken, so wird der Musiker zitiert, dass 75 Prozent des Vorjahresumsatzes für den Monat November nicht ausreiche, um die Kunst schaffenden zu unterstützen. Lediglich eine dauerhafte monatliche Grundsicherung kann diese über die Krise bringen.
Darf ein Künstler, der aufgrund der Tantiemen für gestreamte Songs sicher zu den Corona-Profiteuren gehört, sich zum »Anwalt für die Entrechteten« aufschwingen? Zumal die Gewinne auch nach der Krise anhalten dürften. Leiden Künstler*innen in der Pandemie nicht vielmehr darunter, dass sie ihre Kunst nicht vor Publikum ausüben können? Sollte man daher nicht aufhören, Kunst und Künstler pauschal als Opfer der Pandemie zu stilisieren und die Reichen für diese zur Kasse zu bitten? Werden damit die Kulturschaffenden nicht zu einer »Zweck- und Beschäftigungsgesellschaft der Nation«, mithin zu einer Unterabteilung des öffentlichen Dienstes für die der Staat zu sorgen hat?
Betrachtet man die Entscheidungen der Politik der letzten Monate, so sind die Kulturschaffenden nicht nur durch Schadensersatzzahlungen durch die Corona-Hilfen abgesichert, sondern haben mit Monika Grütters auch eine Lobbyistin in der Regierung. Steuergelder für die Kultur sind dauerhaft gesichert. Und diese werden, so die Argumentation von Hank, zu über 50 Prozent von den Reichen getragen. Diese nun noch einmal zur Kasse zu bitten, verbietet sich daher.
Wenn die Kulturschaffenden immer mehr Staat für sich beanspruchen, dann betrachten sie diesen als »Künstlerversorgungskasse«. Das widerspricht der Idee der künstlerischen Avantgarde, die eine unternehmerische Existenz des Künstlers propagierte. Daher sollten Künstler*innen auf Anwälte wie Herbert Grönemeyer verzichten, die statt Kreativität, Einfallsreichtum und Neugier zu betonen, die Kreativwirtschaft zur »öffentlichen Bespaßungsindustrie« degradiert.
Auch wenn Hank durchaus zuzustimmen ist, wenn er betont, dass es auch in der Kulturbranche Gewinner der Pandemie gibt, so sollte doch bedacht werden, dass es Grönemeyer nicht um sich selbst geht, wenn er die Unterstützung der Reichen einfordert. Er spricht für die vielen Kulturdienstleister, z.B. Licht-, Ton- und Veranstaltungstechniker, Konzertveranstalter, Caterer,….., denen seit Monaten ihr Einkommen weggebrochen ist und deren Rücklagen nach 8 Monaten Pandemie aufgebraucht sind. Eine florierende Branche, die normalerweise keine Unterstützung des Staates benötigt, sondern durch das Berufsverbot ihrer Einkünfte beraubt wurde und nun Überbrückungshilfen benötigt.

 

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tag Novemberhilfe Millionäre Tantieme Corona-Gewinner Herbert Grönemeyer
Alle Sparten Kommentar

Mathe im Museum . Corona und die Künste

by Catrin Lorch (11 Nov 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Mit dem Teil-Lockdown im November beginnt die Solidarität in der Gesellschaft zu bröckeln. Daran ist die Politik nicht unschuldig, ist doch die Begründung, warum gerade Kultureinrichtungen schließen müssen, für viele Kulturschaffenden aufgrund der hervorragenden Hygienekonzepte nicht nachvollziehbar. Statt sich selbst als Opfer zu stilisieren, dreht die Leiterin der Kunsthalle Bielefeld den Spieß um und biete ihre weiträumigen und gut klimatisierten Räumlichkeiten Schulen als Unterrichtsräume an. Bundesbildungsministeri n Anja Karliczek scheint dem Vorschlag nicht abgeneigt, außerschulische Räume für den Unterricht zu nutzen, stehen doch vielerorts nicht ausreichend große und gut klimatisierte Klassenräume für den Unterricht bereit.
Die Kreativität, mit der die Kulturbranche auf die Herausforderung der Krise reagiert, lässt die Politik nach wie vor vermissen. So beschreibt Catrin Lorch den New Deal, mit dem in Amerika während der Depression der 1930er Jahre Kunst- und Kulturschaffende mit Aufträgen versorgte und sie so über die Krise retteten. Sie nennt im Verlauf des Jahrhunderts erfolgreiche Künstler wie Mark Rothko und Jackson Pollock, die ohne diese Unterstützung nicht durch die Wirtschaftskrise gekommen wären. Ein weiterer Vorteil der Staatsaufträge bestand damals in der USA darin, dass Kunst und Kultur in einer breiten Öffentlichkeit rezipiert wurden und so zu einer nationalen Identität beitrugen. So könnte eine solidarische Geste der Kunstinstitutionen nicht nur den Staat zu mehr Souveränität, Großzügigkeit und Kreativität anregen, sondern zugleich den gegenwärtigen Verteilungskämpfen entgegenwirken.

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tag New Deal Schule im Museum Künstlerförderung Solidarität Christina Végh Isabel Pfeiffer-Poensgen
Alle Sparten Bericht

»Ich empfinde die Schließung der Theater als reine Willkür«

by Dieter Hallervorden, Susanne Lenz (09 Nov 2020)
Original source: Berliner Zeitung

Nicht Verhältnismäßigkeit, sondern Willkür ist charakteristisches Merkmal der aktuellen Corona-Beschlüsse. Aufgrund dieser Ansicht hegt der Schauspieler und Kabarettist Dieter Hallervorden enorme Zweifel, ob die Schließung der Theater in diesem Herbst tatsächlich rechtens ist. Daher hat er als Inhaber des Schlosspark Theaters in Berlin beim Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen die Schließung seines Hauses eingereicht. Im Interview mit der Berliner Zeitung gibt er zu bedenken, dass die Bundeskanzlerin, Angela Merkel, die Thea ter als »sichere Orte« bezeichnet hat. Grundsätzlich kommen sich die Menschen beim Friseur näher als in einem Schauspielhaus. Die Verhältnismäßigkeit, die Voraussetzung für die Einschränkung der Grundrechte ist, sieht er daher nicht gegeben. Er beruft sich in seinem Eilantrag auf die im Grundgesetzt festgeschriebene Kunstfreiheit, die er mit der Schließung der Theater gefährdet sieht. Zwar hat er in den letzten Monaten selbst sehr viel Geld zuschießen müssen damit am Schlosstheater die laufenden Kosten gedeckt werden konnten, der finanzielle Verlust schmerzt aber höchstens seinen Sohn, dessen Erbe dadurch geschmälert wird. In Finanznot scheint der erfolgreiche Schauspieler noch lange nicht zu kommen.
Besonders freut Hallervorden, der sich selbst als Rebell charakterisiert, dass er vom Publikum sehr viel Anerkennung und Zustimmung erfahren habe. Enttäuschung liest man zwischen den Zeilen, wenn er bestätigt, dass ihm zwar viele Kolleg*innen Erfolg für seinen Antrag gewünscht haben, es aber nur sehr wenig aktive Solidarität gegeben habe.

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tag Theater November-Lockdown Verhältnismäßigkeit Eilantrag Grundgesetz Kunstfreiheit Schlosspark Theater
Darstellende Kunst Interview

Kunst und Care-Arbeit . Fragwürdige Juryentscheidung

by Brigitte Werneburg (09 Nov 2020)
Original source: taz

Im Rahmen des Programms Neustart Kultur wurden auch Stipendien für Künstler*innen mit Kindern unter 7 Jahren ausgeschrieben. Die Vergabe übernahm die Stiftung Kunstfonds, die auch jährlich Projektstipendien vergibt. Der Maßstab – künstlerische Qualität im bundesweiten Vergleich – galt auch für die Vergabe der Stipendien im  Programm der Kulturstaatsministerin. Nun ist der Aufschrei groß, da mehr Männer als Frauen mit diesem Stipendium bedacht wurden, obwohl sich mehr Frauen als Männer beworben habe n. Ist die Vergabe nun Ausdruck dafür, dass in der Bildenden Kunst die geschlechtergerechte Aufgabenverteilung bereits Einzug gehalten hat, kann man mit der Redakteurin der taz, Brigitte Werneburg, fragen. Dem scheint nicht so zu sein, wenn man sich die Anzahl der Bewerbungen ansieht, bei denen mit 60 Prozent die Frauen weit vorne liegen. Die Rückmeldung der Stiftung Kunstfonds für war für viele enttäuschend, berief man sich dort doch auf die Statuten und den Maßstab der künstlerischen Qualität, da es sich bei den vergebenen Stipendien nicht um Wirtschaftsbeihilfen, sondern um eine Projektförderung handle.
Hier stellt sich nun Werneburg die Frage, warum Künstlerinnen qualitativ nicht mit den männlichen Kollegen mithalten können und ob wohl bereits die Tatsache, dass man ein Kind unter 7 Jahren hat, ein künstlerisches Kriterium ist. Die Stiftung Kunstfonds Bonn scheint – so die Analyse des Beitrags – nicht geeignet, um die Stipendien im Rahmen des Rettungsprogramms Neustart Kultur zu vergeben, da diese nun explizit als Wirtschaftsbeihilfen gedacht sind.
Bedenkenswert sind aber vor allem die abschließenden Überlegungen des Beitrags. Künstler*innen bedürfen aktuell Wirtschaftsbeihilfen. Sie sind schließlich nicht arbeitslos, sondern gehen einer Erwerbsarbeit nach, die allerdings aktuell nicht auf dem Markt angeboten werden darf. Hartz IV ist in dieser Situation kein Angebot – nicht nur weil die Künstler*innen damit in ein bürokratisches Räderwerk geraten, indem sie ihre Altersvorsorge angreifen müssen, an Weiterbildungsangeboten teilnehmen und Arbeitsangebote annehmen müssen. Viel wichtiger ist, dass sie damit aus der Künstlersozialkasse (KSK) herausfallen. Dieses einzigartige Konstrukt –  in dem die Künstler*innen ihre Arbeitsnehmerbeiträge zu Kranken- und Rentenkasse leisten, die Arbeitgeberbeiträge von  Unternehmen des Kunst- und Kulturbetrieb und dem Staat geleistet werden – ist in der Krise grundsätzlich gefährdet, denn wenn Kunst- und Kulturbetriebe geschlossen sind, bleiben die Einnahmen aus.

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tag Neustart Kultur Stiftung Kunstfonds Stipendien Wirtschaftsbeihilfe Künstlersozialkasse Hartz IV Geschlechtergerechtigkeit
Bildende Kunst/Design Bericht

»Wir sollten uns nicht hyperüberschätzen« . Amelie Deuflhard zum Theater-Lockdown

by Amelie Deuflhard, Vladimir Balzer (05 Nov 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

Planungssicherheit ist das, was Kultureinrichtungen im Moment am dringendsten benötigen. Die Mitarbeiter an vielen Einrichtungen arbeiten zwar weiter, aber das Gefühl in eine Leere hinein zu produzieren, belastet viele sehr. Dem Vorschlag des Künstlerischen Leiters der Schaubühne, Thomas Ostermeier, möchte sich Amelie Deuflhard, Künstlerische Leiterin von ›Kampnagel‹ in Hamburg nicht anschließen. Schon alleine aus Solidarität mit den freien Theatern müssen die Häuser weiter bespielt werden, auch wenn die La ge unsicher ist. Dennoch wünscht sie sich auch Planungssicherheit, denn wenn jetzt schon eine Schließung über den November hinaus feststehen würde, dann könnten sich die Häuser alternative Konzepte für ihre Räume überlegen und die Schließung für konzeptionelle Überlegungen nutzen. Zwar sieht Deuflhard viele Theater in Deutschland auf einem guten Weg, dennoch mahnt sie an, dass das Theater in der Gegenwart nach wie vor das Bildungsbürgertum anspricht. Hier neue Konzepte zu entwickeln, auch die angestammten Räume zu verlassen, Zielgruppen anzusprechen und an der Diversifizierung des Theaters arbeiten, das sind einige der Aufgaben, die angegangen werden könnten. Sie geht sogar so weit, dass sie vorschlägt, in Krisenzeiten für die Mitarbeiter*innen am Theater andere sinnstiftende Aufgaben – Vorlesen in Pflegeheimen, Aushelfen im Gesundheitsamt – zu suchen.
Den positiven Blick in die Zukunft können die staatlich subventionierten Häuser in der Gegenwart natürlich wesentlich eher erlauben, als privat geführte Häuser und Solo-Selbständige. Auch die prekären Beschäftigungsverhältnisse der Freiberufler stehen auf Deuflhards imaginärer To-do-Liste für die Krisenschließung. Hier müsste sich allerdings auch die Politik beteiligen und überlegen, wie für diese Gruppe eine Sicherung geschaffen werden kann, die ihnen hilft eine solche Krise zu überstehen. Das bedingungslose Grundeinkommen oder ein solidarischer Fonds sind hier lediglich zwei Möglichkeiten, die Branche so zu stabilisieren, dass sie nicht wieder zusammenbricht, falls eine neue Krise kommt. Dabei sollte auch bedacht werden, dass die Bürokratie möglichst reduziert werden kann.  
Abschießend gibt sie zu bedenken, dass aktuell alle internationalen Kooperationen eingefroren sind. Damit fehlt nicht nur eine wichtige Form des kulturellen Austauschs, in vielen Ländern gibt es für Künstler*innen in der Krise auch keinerlei Unterstützung.

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tag Theater Planungssicherheit Privilegien Kultur als Chance Grundeinkommen Demokratisierung Solo-Selbständige
Darstellende Kunst Gespräch

Geld ist im Übermaß vorhanden . Corona-Hilfen für Künstler

by Herbert Grönemeyer (04 Nov 2020)
Original source: Zeit

Unterhaltung, so wertet der Musiker Herbert Grönemeyer den Begriff für sich um, bedeutet »halten von unten«. Hier finden die Menschen Hilfe und Zuversicht, wenn sie traurig oder frustriert sind. Sie können aber auch ihrer Freude Ausdruck verleihen. Durch das Wegfallen der Liveauftritte ist das Publikum dieses Ventils beraubt. Keine Fluchtpunkte oder keine Ersatzwelt mehr. Es bleibt die Realität und mit ihr Raum für Verblödung und krude Theorien. Die Seele der Gesellschaft ist gefährdet und mit ihr der gesellschaftliche Zusam menhalt im Ganzen. Die Folgen für die Existenz der vielen Zuarbeiter, die Liveveranstaltungen erst ermöglichen, sind in diesem Verständnis nur Symptom für die Erosion der Gesellschaft. Wie diesem Prozess entgegenwirken? Wie dafür sorgen, dass auch nach der Krise Liveveranstaltungen wieder möglich sind? Hier wird Grönemeyer nun sehr konkret: Diese Menschen dürfen nicht gezwungen sein, ihre Alterssicherung anzugreifen. Für sie muss es schnell und unkompliziert Hilfe geben.
Doch wie könnte diese Hilfe aussehen. Grönemeyer nimmt in diesem Fall nicht den Staat in die Pflicht, sondern schlägt eine Alternative vor: Wie bei einer Naturkatastrophe die Familie einem Betroffenen unter die Arme greift, so bedarf es auch in der aktuellen Krise ein Zeichen der Solidarität. Dieses sollte, so der Musiker, von den 1,8 Millionen Millionären in Deutschland kommen. Dieses Zeichen würde nicht nur den in ihrer Existenz bedrohten Kulturschaffenden helfen, sondern es würde zugleich den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, der seit Jahrzehnten zu beobachtenden Spaltung entgegenwirken.
Interessanterweise fehlt Grönemeyers Statement ein überzeugendes Argument: Er müsste als leuchtendes Beispiel für die geforderte Solidarität selbst mit einer großzügigen Spende vorangehen - auch er gehört zu Deutschlands Millionären....

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tag Kulturbetrieb Solidarität Millionäre Seele der Gesellschaft Zusammenhalt Liveevent Quo vadis ars
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Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

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Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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