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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

»Das ist kein Neustart, das ist der Tod auf Raten« . Konzertveranstalter und Corona

by Benjamin Fischer (17 Aug 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Stephan Thanscheidt ist Ko-Chef von FKP Scorpio. Die Firma mit rund 350 Mitarbeitern in 11 Ländern gehört nicht nur zu den größten Festivalorganistatoren Europas, das Unternehmen hat im vergangenen Jahr rund 3000 Konzerte von mehr oder weniger bekannten Musiker*innen – darunter Superstars wie Ed Sheeran oder David Guetta – ausgerichtet. Thanscheidt ist vor allem für die Ausrichtung der Festivals verantwortlich. So verbringt er im Sommer normalerweise mehr Zeit auf Festivals denn am Schreibtisch. Das ist wichtig, um das Gespür f& uuml;r die Wünsche und Erwartungen der Besucher*innen zu behalten.
Im März und April liefen bei FKP Scorpio die Planungen für die Sommerevents weiter. Zwar hatte man schon während des Lockdown ein ungutes Gefühl, aber ohne eine längerfristige Absage durch die Behörden, hatte das Unternehmen keine andere Wahl, als die Festivals erst einmal zu verschieben, um den Versicherungsschutz nicht zu verlieren. Das war ein enormer Aufwand, mussten doch immer wieder Veranstaltungen und die entsprechenden Karten umgebucht werden. Die Werbung wurde neu aufgelegt, nur um dann die nächste Verschiebung anzukündigen.
Die Branche, die selbst in der Wirtschaftskrise 2009 kaum Einnahmeausfälle hatte, sieht sich nun vor völlig neuen Herausforderungen. Kurzarbeit und Homeoffice waren bislang völlig fremd. Zwar finden regelmäßige digitale Treffen statt, aber die gemeinsame kreative Arbeit lässt sich nur schwer realisieren. Vor allem für die zehn Auszubildenden ist die Situation mehr als unbefriedigend, lernen sie doch aktuell nur Teile der geplanten Aufgabenbereiche kennen.
Im Sommer hat man sich in der Branche auf Stillstand bis Weihnachten eingerichtet. Sollten auch im kommenden Jahr keine Veranstaltungen möglich sein, stehen viele Unternehmen vor dem Aus. Zwar entsteht im Moment in der Öffentlichkeit und der Politik der Eindruck, dass durch Autokino-Konzerte oder andere Veranstaltungen wieder Geld in die Kassen komme, dabei handelt es sich nach Aussage von Thanscheidt aber nicht um ernst zu nehmende Einnahmen, sondern vielmehr um einen »Tod auf Raten«. FKP Scorpio hat in den letzten Jahren solide gewirtschaftet und kann noch auf Rücklagen zurückgreifen. Sollten aber auch im kommenden Jahr keine Festivals mit normaler Kapazität stattfinden können, wird es auch für FKP Scorpio eng.

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tag Konzertveranstalter Festivals Versicherung Planungssicherheit Exit-Strategie Auszubildende
Musik Beitrag

Lost Art . Measuring COVID-19’s devastating impact on America’s creative economy

by Richard Florida, Michael Seman (11 Aug 2020)
Original source: Brookings Report

Dieser Bericht der Brookings Institution, verfasst von den Ökonomen Michael Seman und Richard Florida, analysiert die wirtschaftliche Situation des US-amerikanischen Kultursektors im Zeitraum vom 1. April bis 31. Juli 2020. Er schätzt die landesweiten Verluste der Kreativwirtschaft auf 150 Milliarden Dollar, die von Eintrittskarten und Konzertartikeln bis hin zu Gemälden und Musikunterricht reichen. Von den 50 Bundesstaaten wird Kalifornien in Bezug auf die absoluten Verluste der Kreativwirtschaft und der Berufe am stärksten betroffen sein, New York C ity wird der am stärksten betroffene Großraum sein. Die Bildende und Darstellende Kunst wird am härtesten betroffen sein, da sie 50 % aller Arbeitsplätze und mehr als ein Viertel aller landesweiten Umsatzeinbußen erleiden wird. Nichtsdestotrotz sehen die Autoren des detaillierten 30-seitigen Berichts eine Chance für die Gemeinden, sich auf lokal bezogene Kultur umzustellen.

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tag USA New York Kalifornien Schließungen Arbeitsplatzverlust Federal Art Project lokales Publikum Umsatzeinbruch
Alle Sparten Studie

Durchs Raster gefallen . Kulturschaffende in Coronakrise

by Sabine Seifert (29 Jul 2020)
Original source: taz

Drei Monate nach einem ersten Gespräch zu ihrer persönlichen Situation als Künstler*innen während des Lockdowns trifft sich Sabine Seifert wieder mit einem Sänger, einer bildenden Künstlerin, einem Schauspieler und einer Museumspädagogin, um mit ihnen über ihre Erfahrungen während der Corona-Krise zu sprechen.
Die Arbeitsbedingungen sind für die Künstler*innen nach wie vor alles andere als optimal. Der Tenor Wilko Reinhold gibt nach wie vor kein Präsenzunterricht, weil die Corona-Auflagen ihn unheimlich v iel Zeit kosten würden. Der Schauspieler und Regisseur Sascha Oliver Bauer finanziert sich überwiegend durch Synchronsprechen. Er hat die letzten Monate von der Grundsicherung gelebt und hat jetzt den ersten längerfristigen Auftrag erhalten. Das soziale Netz, das es ihn Deutschland gibt, weiß er sehr zu schätzen. Soforthilfe und Grundsicherung haben ihm geholfen, die letzten Monate finanziell zu überstehen. So einfach aufgefangen wurden leider nicht alle Antragsstellenden, da die Sachbearbeiter*innen die vereinfachte Antragsstellung recht unterschiedlich verstanden. Hinzu kommt, dass die Anträge auf Grundsicherung sich lediglich um rund ein Viertel erhöht haben. Aufgrund des schlechten Nimbus von Hartz IV schreckten viele vor einem Antrag zurück.
Auch die Anträge für Solo-Selbständige berücksichtigen die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Künstler*innen auch nach drei Monaten nicht, beklagt  Veronika Mirschel vom Referat „Selbstständige“ bei der Gewerkschaft Verdi. Nicht nur dass in vielen Bundesländern die Lebenshaltungskosten nicht als Betriebskosten angesehen werden dürfen, ist ihr ein Dorn im Auge, auch die Tatsache, dass in der zweiten Antragsrunde die Anträge nur noch von Steuer- oder Wirtschaftsprüfern gestellt werden dürfen, gehe völlig an der Realität kleiner und mittlerer Unternehmen vorbei. Die Aufteilung der Hilfen durch die Bundesregierung empfindet auch Heidi Sill, Sprecherin des bbk berlin, als ungerecht. Während für Kurzarbeiter die Hilfen aufgestockt werden, fühlen sich die Solo-Selbständigen alleine gelassen.
Zwar ist der Beruf des Künstlers/der Künstlerin grundsätzlich mit Unsicherheit verbunden, aber aktuell haben sich die Rahmenbedingungen radikal geändert. Niemand kann mit Sicherheit voraussagen, wie sich die Pandemie entwickelt. Wann wieder welch Veranstaltungsformate möglich sein werden.
Eine besonders schlechte Stellung haben in dieser Zeit die Museumspädagog*innen. Sie wurden in den letzten Jahren zunehmend in die Solo-Selbständigkeit abgedrängt, da die Häuser keine festen Stellen mehr vergeben. Da ihr Beruf als Gewerbe gilt, sind sie nicht nur umsatzsteuerpflichtig, sie können auch nicht in die Künstlersozialkasse aufgenommen werden. Wann wieder Führungen angeboten werden können, ist in vielen Bundesländern nach wie vor unklar. Größere Gruppenführungen wird es in absehbarer Zeit wohl keine geben.
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, verweist darauf, dass sich die Arbeitsstrukturen auf den Kulturmarkt in den letzten Jahren verändert haben. Es gibt zwar weniger Künstler*innen, aber mehr Solo-Selbständige im Bereich kultureller Bildung, Management und in der Technik. Die Kulturpolitik hat es versäumt den prekären Strukturen, die hier entstanden sind, entgegen zu wirken. Grundsätzlich müsste man darüber nachdenken, so Olaf Zimmermann, ob der klassische Unternehmerbegriff auf Kunst- und Kulturschaffenden noch zutrifft – zumal sie einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.
Wie kann Solidarität unter Künstler*innen – nicht nur in der Corona-Krise – aussehen? Das ist eine Fragestellung, mit der sich das Sheshepop Kollektiv schon länger beschäftigt, die nun aber drängender wird. Das Kollektiv wird in die neue Spielzeit mit einer Produktion im HAU (Hebbel am Ufer) starten. Bis dahin sind alle Rücklagen aufgebraucht, aber die Begeisterung über die einmaligen Probebedingungen auf der Originalbühne lässt über die finanzielle Misere hinweg positiv in die Zukunft blicken.

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tag Soforthilfe Grundsicherung Solidarität Verdi bbk Elisabeth Anschütz Sascha Oliver Bauer Ka Bomhardt Wilko Reinhold Olaf Zimmermann
Alle Sparten Bericht

Der verzögerte Kulturinfarkt . Resilienz des Kulturbetriebs

by Dieter Haselbach, Pius Knüsel (27 Jul 2020)
Original source: Kulturmanagement

Die Corona-Krise macht die Zweiklassengesellschaft im Kulturbetrieb sichtbar. Während die öffentlich finanzierten Einrichtungen zwar Einnahmeverluste hinnehmen müssen, sind die Jobs der teilweise in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeitern sicher. Die öffentlichen Kassen übernehmen die auflaufenden kosten. Anders sieht es im privat finanzierten Bereich aus. Vom Theater über Kinos bis zu Klubs stellt sich die Frage, wie lange die Kapitaldecke ausreichen wird und ob die öffentlichen Hilfen ausreichen, um über die Krise zu kommen. Die Ple itewelle wird nicht ausbleiben. Selbständige Künstler*innen und ihre Hilfsberufe sind die Leidtragende der Krise, vor allem wenn ihre Tätigkeit Publikum voraussetzt: Live-Musiker*innen, Schauspieler*innen, Tontechniker*innen, Festivalmitarbeiter*innen, Kulturpädagog*innen, Honorarkräfte in Musikschulen und Puppenspieler*innen. Diese »unerschöpfliche Reservearme für die Institutionen« war bereits vor der Krise schlecht bezahlt. Da das Einkommen nur für die laufenden Lebenskosten ausreichte, führt dessen Wegfall direkt in eine existentielle Krise.
In Anbetracht der Tatsache, dass bereits vor der Krise über den Publikumsschwund in Kultureinrichtungen und den Bedeutungsverlust der Museen diskutiert wurden, sind die Verfasser über einen Beitrag von Tobias J. Knobloch, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, irritiert, der anmahnte, die öffentliche Finanzierung auszuweiten, um die Krisenfolgen für den Kulturbetrieb abzuwenden. In diesem Zusammenhang spricht er auch von Resilienz.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Krise die große Zeit der Kulturverbände ist. Sie versuchen nun, einen Teil von den öffentlichen Geldern abzubekommen. Anders sieht es bei den Solo-Selbständigen aus, die durch die Förderraster der Bundes- und Landesregierungen fallen. Die Kulturverbände wehren sich in dieser Situation dagegen, dass der Zugang zum ALG II der einzige Ausweg aus dieser Misere sein soll. Lediglich Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat mahnte, dass der Zugriff auf das soziale Sicherungssystem ein Segen sein, der seit vielen Jahren vier Millionen Menschen zugemutet wurde. Warum also nicht als Künstler*in in Krisenzeiten auf das soziale Netz zugreifen?
Hier kommen die Autoren zum Hauptpunkt ihres Beitrags: Viele Künstler*innen verfügen nicht über ein Geschäftsmodell, das tragfähig wäre und Rücklagen und eine sinnvolle Alterssicherung vorsieht. Krisen- und Altersvorsorge auf später zu verschieben, ist kein Modell mit Zukunft. Auch wenn der Staat aktuell freigiebig ist, muss im Kulturbereich nachhaltiges Wirtschaften Einzug halten.
Aber auch in den öffentlichen Einrichtungen offenbart die Krise des Systems. Da im öffentlichen Bereich keine Rücklagen gebildet werden dürfen, operieren die Einrichtungen immer am Rande der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Andererseits folgt man den Null-Imperativ. Es werden keine Risiken eingegangen, d.h. aber im Umkehrschluss auch, dass keine Veränderungen möglich sind.
Aktuell wird jeglicher Kritik mit dem Hinweis auf die Corona-Krise begegnet. Dennoch stellt sich die Frage, ob die gewählten Förderinstrumente zielführend sind.
In ihrem Ausblick gehen die Autoren davon aus, dass die großen staatlich finanzierten Häuser die Krise überstehen werden, viele Soloselbständige und privat finanzierte Häuser aufgeben werden. Auch der Kulturtourismus wird 2021 wieder einsetzen. Die einzige Chance der Akteur*innen besteht darin, sich neue Handlungsspielräume zu erarbeiten. Einen Kulturinfarkt vermeiden kann man aktuell nur, wenn die Förderinstrumente und Organisationsprinzipien überdacht werden und die Digitalisierung vorangetrieben wird.

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tag Museen Kulturförderung Soforthilfe Solo-Selbständige Hartz IV Olaf Zimmermann Tobias J. Knobloch
Alle Sparten Bericht

»Was in Berlin passiert, ist ziemlich einmalig« . Corona-Hilfe für Klubkultur

by Laura Aha (20 Jul 2020)
Original source: Spiegel

Klubs waren die ersten Kultureinrichtungen, die schließen mussten, und sie werden aller Voraussicht nach auch die letzten sein, die wieder öffnen dürfen. Alleine in Berlin sind in 140 Klubs und ebenso vielen Klub-Veranstaltungsagenturen rund 9000 Menschen beschäftigt. In Berlin hat Kultursenator Klaus Lederer ein Hilfspaket in Höhe von 30 Millionen Euro für Klubs aufgelegt. Das hilft zumindest den größeren Einrichtungen, kurzfristig die Existenz zu sichern – lange werden sie aber auch mit dieser Unterstützung nicht dur chhalten können.
In den großen Metropolen sieht es ganz ähnlich aus. In Hamburg und Köln wurden ebenfalls von der Stadtverwaltung Programme aufgelegt, um die Klubszene zu unterstützen. Das ist auch insofern nötig, als die Klubs in der Regel nicht von der Kulturförderung des Bundes profitieren können. Andererseits haben die Klubs bislang selten Förderung von den Ländern erhalten, weshalb sie jetzt durch das Raster fallen, da sie um ihre Anerkennung als Kulturort kämpfen müssen. Wo es keine Lobbyverbände gibt, gibt es in der Regel auch keine Förderung. Das ist vor allem in den ostdeutschen Bundesländern der Fall. So fürchtet die lebendige Clubszene in Leipzig und Dresden um ihre Existenz. Aktuell ermöglicht die Open-Air-Saison, die Umsatzeinbrüche etwas auszugleichen. Die Szene bedarf aber einer langfristigen Strategie, um der Krise nicht zum Opfer zu fallen.

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tag Clubszene Berlin Soforthilfe Konjunkturpaket Klaus Lederer
Musik Bericht

Macht die Theater zu – und fangt von vorne an . Theater als Gesellschaftslabor

by Björn Bicker (20 Jul 2020)
Original source: BR Kultur

Das im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gerne verwendete Schlagwort von der »Krise als Chance« sieht Björn Bicker als eine der letzten Möglichkeiten, die deutschsprachige öffentlich finanzierte Theaterlandschaft zu retten. Seine Analyse der Lage ist schonungslos: An den überwiegend von Despot*innen geführten Häusern wird nur noch für eine Parallelgesellschaft gespielt. Die weiße, gut situierte Mittelschicht lässt sich von einer immer diverser werdenden Gesellschaft ihre Theater finanzieren.
Die Zwangspa use, die mit dem Lockdown eingeläutet wurde, hätte als Denkpause genutzt werden können. Der Stillstand war eine Möglichkeit, über die Bedingungen des eigenen Arbeitens nachzudenken. Aber statt sich der Frage zu widmen, wie ein Theater von Morgen aussehen könnten, verfielen viele Häuser in einen digitalen Hyperaktionismus. Lesungen, kurze Szenen bis hin zu ganzen Aufführungen wurden ins Netz gestellt. Noch ist die Chance nicht vergeben. Statt sich weiter einem Aktionismus hinzugeben, der die Gesellschaft nicht erreicht, sollte der Spielbetrieb noch etwas aussetzen. In dieser Zeit kann nicht nur zu einem neuen Miteinander in den Häusern gefunden werden, sondern auch an runden Tischen der Dialog mit einem diversen Publikum gesucht werden. So können Konzepte für ein Theater von Morgen entstehen. Die Utopie, die Bicker entwirft, ist die des Stadttheaters als Prototyp gesellschaftlicher Entwicklung. Ob es tatsächlich eine Utopie bleibt, liegt an den Institutionen selbst.

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tag Theater Denkpause Krise als Chance
Darstellende Kunst Zwischenruf

Die Buchbranche leidet und macht Verluste . Ein Virus namens Angst greift um sich

by Paul Jandl (17 Jul 2020)
Original source: Neue Züricher Zeitung

Bereits vor der Krise sah es in der Buchbranche nicht rosig aus. In den vergangenen Jahren sank die Zahl derjenigen, die sich regelmäßig ein Buch kaufen, ständig. Die Corona-Krise, während der viele zu anderen Medien wechselten und Amazon lieber Klopapier als Bücher auslieferte, verstärkte diesen Trend. Die Branche verzeichnet Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr einen Verlust von 17,5 Prozent. Und so reagieren viele Verlage mit einem Sparprogramm. Im Herbst werden weniger Neuerscheinungen zu verzeichnen sein. Mit einem »zweiten Frü hling« soll im Herbst für die Neuerscheinungen des Frühlings geworben werden, denen aufgrund der Absage der Leipziger Buchmesse und des Lockdowns die Aufmerksamkeit fehlte. Die Unterstützung der Branche kommt auch von den politischen Entscheidungsträgern. Im Programm „Neustart Kultur‟ sind rund 10 Millionen Euro für den Buchmarkt vorgesehen.
Wie sehr die Branche mit ihrer Neuerfindung ringt, zeigten die Querelen um die Frankfurter Buchmesse im Oktober. Viele Verlage haben ihre Teilnahme inzwischen abgesagt, nachdem die Verantwortlichen sehr früh beschlossen haben, die Messe mit einem alternativen Konzept durchzuführen. So denkt man in Frankfurt inzwischen darüber nach, das Branchentreffen in ein Kreativfestival umzuwandeln, in dem neben der Literatur auch Musik, Pop und Gaming präsent sind. Im Moment ist zu befürchten, dass die Angst in der Branche einen wesentlich größeren Schaden anrichtet als das Virus.

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tag Buchbranche Buchmesse Neustart Kultur Umsatzeinbruch zweiter Frühling
Wort Bericht

Die Maske ist hinnehmbar . Dreharbeiten in der Pandemie

by Jörg Seewald (16 Jul 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Drehbücher werden umgeschrieben, Filmhandlungen von Amerika nach Deutschland verlegt, Schauspielerpaare für gemeinsame Szenen vor der Kamera engagiert. Coronabedingt haben sich nicht nur filmische Inhalte verändert, sondern auch das Verhalten am Set musste den neuen Hygieneregeln angepasst werden. Das stellt die Branche vor einige Herausforderungen, führt aber auch dazu, dass konzentrierter gearbeitet wird.
In der ARD teilt man sich die coronabedingten Mehraufwendungen nach Abzug der staatlichen Hilfen mit der jeweiligen Produktionsfirma. Grund sätzlich wird aktuell darauf geachtet, dass Aufträge breit gestreut werden, sodass die Produzentenlandschaft erhalten bleibt.
Die Schauspieler*innen sind dankbar, dass sie wieder arbeiten dürfen – auch wenn die Proben mit Maske eine Herausforderung sind. Ein Streitpunkt bei der Bezahlung sind aktuell die Quarantäne-Tage. Da die Schauspieler*innen früher anreisen müssen, damit für die Dreharbeiten ausgeschlossen werden kann, dass sie an Corona erkrankt sind, haben sie wesentlich mehr Präsenztage. Die Quarantäne-Tage selbst werden allerdings nicht bezahlt – im Unterschied zu Kameraleuten und Requisite, die den ihnen entstehenden Mehraufwand durch die neuen Drehregelungen bezahlt bekommen.
Am Filmset selbst hat sich einiges geändert. Der wichtigste Mann ist nun der Hygienebeauftragte. Er kennt sich mit den jeweils geltenden Regeln aus, berät bei der Umsetzung des Drehbuchs und entscheidet, wer getestet wird und welche Maßnahmen sinnvoll sind. Da sich die Einschätzungen der Lage wöchentlich ändern, erfordert diese Aufgabe Flexibilität und Fingerspitzengefühl, da durch die Hygieneauflagen zugleich hohe Kosten entstehen. Bei Kinofilmen können diese bis zu 150.000 Euro betragen.
Für den Ausfall oder den Abbruch von Dreharbeiten gibt es aktuell noch einen Rettungsschirm, der durch das Programm »Neustart Kultur« der Bundesregierung abgelöst werden soll. Allerdings ist hier nur Unterstützung für Kinofilmproduktionen und hochwertige Serienproduktionen vorgesehen. Die Risiken für TV-Produktionen müssen Sender und Produktionsfirmen demnach selbst tragen. Grund hierfür ist, dass Verhandlungen über Nothilfen mit dem Bundeskanzleramt im Mai gescheitert sind. Die Sender wollten nicht auch noch in den Ausfallfonds einzahlen. Einige Bundesländer sind bereit, die Produzenten zu unterstützen. Grundsätzlich stellt sich hier die Frage, wie argumentiert wird, dass die Filmwirtschaft mit einem Ausfallfonds unterstützt wird, es aber beispielsweise für die Konzertindustrie keinen vergleichbaren Fonds gibt.

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tag Film Dreharbeiten Hygieneregeln Quarantäne-Tage ARD Neustart Kultur Ausfallfonds
Darstellende Kunst Bericht

Besucheransturm auf Museen nach Lockdown bleibt offenbar aus

by Wolfgang Ullrich (14 Jul 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Die Museen haben wieder geöffnet, doch die erwarteten Besucher*innen bleiben in vielen Häusern aus. Im Interview mit dem Deutschlandfunk erläutert Wolfgang Ullrich, warum das Angebot so zögerlich angenommen wird und wie sich die Museen in den kommenden Jahren verändern werden.
Ein wichtiger Ansatz für das Verständnis der zögerlichen Rückkehr der Besucher*innen nach der Öffnung der Museen liegt im gewandelten Bild des Museumsbesuchs. Es herrschte immer noch die Idee vor, dass  man als Besucher*in vor den Werken kontempliert und die Ruhe genießt. Dabei wird gerne vergessen, dass das Museum zu einem wichtigen sozialen Ort geworden ist. Man besucht es mit Freunden und Bekannten, um dort etwas zu erleben. Das ist gegenwärtig noch nicht gegeben. Die Maskenpflicht, kontingentierte Besucherzahl schrecken doch viele ab.
Ist dann das digitale Angebot des Lockdowns eine Alternative zum Besuch vor Ort? Das kommt auf die Form des Angebots an: Hochauflösende Digitalisate sind nur für eine Minderheit interessant. Für den Normalverbraucher ist es wichtig, dass er durch das Museum geführt wird. Das muss auch im digitalen Bereich geleistet werden. Historische Werke müssen mit aktuellen Phänomenen in Bezug gesetzt werden.
Blockbusterausstellungen werden kaum mehr möglich sein. Der Museumsbetrieb war bislang darauf ausgelegt, dass viele Besucher*innen das Angebot gleichzeitig annehmen, um die hohen Kosten für Transport und Versicherungen für Leihgaben zu finanzieren. Insofern können diese Ausstellungen nicht mehr rentabel stattfinden. Die Chance der Krise liegt darin, dass viele Museen gezwungen sind, sich auf ihre eigenen Bestände zu besinnen und diese für ein lokales Publikum interessant zu machen. Kuratorische Einfälle sind jetzt gefragt, um mit dem Vorhandenen neu zu.
Die Zielgruppe verändert sich damit in erster Linie für die ganz großen Museen. In Deutschland haben wir viele mittelgroße Museen, die sich sehr stark an ihrem lokalen Publikum orientiert haben. Diese haben im Bereich Kunstvermittlung in den letzten Jahren viele verschiedene Wege beschritten, um dem Museum sozialpolitische Relevanz zu verleihen. Diese Initiativen müssen vorangetrieben werden und gestärkt werden. Diese Häuser werden jetzt umso wichtiger werden als die großen Touristenmagnete.
Die Einnahmeausfälle sind bislang schon zu spüren und das wird sich in der Rezension fortsetzen. Es fallen neben den Eintrittsgeldern auch ein Teil der Drittmittel weg. Im Unterschied zu den USA, wo die Museen sehr stark von Sponsoren abhängig sind, wird bei uns die Wirtschaftskrise nicht ganz so stark zu spüren sein. Museumsneubauten und Erweiterungen, wie wir sie in den letzten Jahren gesehen haben, werden erst einmal der Vergangenheit angehören.

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tag Museen Besucherzahlen lokales Publikum Onlineangebote Blockbuster
Bildende Kunst/Design Interview

Nach dem Stillstand die Besinnung?

by Till Briegleb (07 Jul 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Die coronabedingten Schließungen bedeuten für die großen deutschen Museen in Dresden, Berlin, Hamburg, München oder Köln Einnahmeverluste in Millionenhöhe. Auch die schnelle Wiedereröffnung der Häuser kann daran wenig ändern. Wenn in einer Woche so viele Besucher*innen kommen, wie vor dem Lockdown an einem Tag, sind die Museen schon glücklich. Nach wie vor fürchten sich die Menschen vor Räumen mit großer Anziehungskraft. Dazu kommt, dass die Zahl der Städtereisenden noch sehr gering ist. Da sie bis zu 75 Prozent der Museumsbesucher ausmachen, haben viele Häuser nach wie vor reduzierte Öffnungszeiten und leere Kassen. Alarmiert sind die Leitungen der Museen allerdings bislang nicht. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sie aktuell das Gefühl haben, vom Staat unterstützt zu werden. Im Gegensatz zur Entlassungswelle in Amerika können zumindest die fest angestellten Mitarbeiter*innen sich auf die staatliche Unterstützung verlassen. Selbst auf das Mittel der Kurzarbeit haben nur wenige Häuser zurückgegriffen. Stattdessen sucht man nach anderen Mitteln der Einsparung: Auf abendliche Beleuchtung wird beispielsweise am Kunstmuseum Stuttgart verzichtet, um das Defizit im Haus zu verringern.
So sicher der Alltag für die Festangestellten ist, umso bedrohlicher ist die Lage für Solo-Selbständige vom Grafiker über Autorinnen und Autoren bis zu externen Aufbauhelfern. Wurden sie bislang nur mit Niedrigstlöhnen entlohnt, so bleibt ihnen nur der Hartz-IV-Antrag, um über die Runden zu kommen. So ist es nicht nur der Ruf nach Ausstellungshonoraren für Künstler*innen, sondern auch die Unterstützung für die abhängig Beschäftigten, die dringend diskutiert werden muss. Der Ruf nach einer Tourismusabgabe für die Museen ist nur eine Forderung, die es ermöglichen könnte, hier Abhilfe zu schaffen.
Aber nicht nur die Frage der Finanzierung treibt die Mitarbeiter in den Museen aktuell um, sondern es scheint vielmehr ein strategischer Nachdenkprozess angestoßen zu sein, denn die Häuser müssen auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren. Marion Ackermann, Direktorin der Staatlichen Kunstsammlung zu Dresden betont, dass die hauseigene Forschung, der Ruf nach staatlichen Ankaufsetats, die Entwicklung digitaler Formate sowie die Konzentration auf die eigenen Sammlungen  positive Impulse für die Arbeit in den Museen geben. Bereits vor dem Lockdown hatte Ackermann für ihre Häuser ein » Museums-Sabbatical « für das Jahr 2023 ausgerufen, in dem die Dresdner Museen sich aus dem Hamsterrad befreien und neue Konzepte entwickeln sollten. Die positive Kraft, die sich Ackermann von dieser Auszeit versprochen hat, ist jetzt bereits zu spüren. Der Blick auf das Konstruktive ermöglicht es, von der Frage der Finanzierung abzulenken. Und so werden viele Häuser aus der Not eine Tugend machen und sich wieder mehr auf Inhalte konzentrieren als auf große Namen.

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tag Museen Finanzen Marion Ackermann Hartz IV Neuausrichtung Sammlung
Bildende Kunst/Design Bericht

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Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

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Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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