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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

So gefährlich war die Kunst noch selten . Aber der Kultur-Shutdown trifft uns alle

by Roman Bucheli (30 Dec 2020)
Original source: NZZ

Kultur ist aktuell aus dem öffentlichen Raum verbannt. Damit stehen nicht nur Existenzen von Kulturschaffenden auf dem Spiel, sondern dies ist zugleich eine einschneidende Erfahrung für das Gemeinwesen. Diesem fehlt damit ein Ort, an dem experimentiert, Widerspruch formuliert oder Gedanken ausprobiert werden können. Anders als in der Politik geht es dabei nicht darum, die eigene Position durchzusetzen, sondern einen Diskurs anzuregen, der eine kritische Öffentlichkeit bildet und so die Entwicklung der Gesellschaft vorantreibt. Lässt sie den einze lnen die Welt mit anderen Augen sehen und den Erfordernissen des Alltags gelassener entgegentreten, so ist eine wichtige Aufgabe der Kultur die Humanisierung der Gesellschaft. Zwar kann Kunst auch in der Vereinzelung genossen werden, sie bedarf aber des öffentlichen Raums, um diesen mitgestalten zu können. Karl Jaspers hat Öffentlichkeit als Voraussetzung für Wahrheit definiert, da sich das Individuum nur im öffentlichen Raum der Auseinandersetzung stellen kann. Seine Schülerin Hannah Arendt sprach gar vom »Wagnis der Öffentlichkeit«, da Humanität nie in der Einsamkeit gewonnen werden können. Es bedarf des öffentlichen Raums um ein Netzwerk von Gedanken und Beziehungen zu errichten, das auf Ideen von anderen trifft und vor einem Publikum betrachtet wird. So entsteht ein vielstimmiges Gespräch. Dass dieses im virtuellen Raum nicht möglich ist, erfahren wir aktuell in Online-Meetings. Das Fehlen dieses analogen Austauschs kann das Individuum eine Zeitlang verkraften, die Gesellschaft wird auf Dauer daran zerbrechen.  

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tag Gemeinwesen Öffentlichkeit Humanität DiskursKarl Jaspers Hannah Arendt Widerspruch
Alle Sparten Kommentar

»Die freien Schauspieler sind überhaupt nicht abgesichert« . Metropoltheater München in der Coronakrise

by Jochen Schölch, Maja Ellmenreich (29 Dec 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Freie Theater sind von der Krise besonders betroffen. Das Metropoltheater selbst, so berichtet Intendant und Gründer des Metropol Jochen Schölch im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, wird aufgrund einer Förderung der Stadt München durch die Krise kommen. Dennoch fehlen dem Theater aktuell rund 450.000 Euro, die aus Rücklagen der letzten Jahre finanziert wurden. Zu dem Fehlbetrag kommt es, weil das Theater den Schauspieler*innen, die alle nur für einzelne Produktionen gebucht werden, ein Äquivalent zum Kurzarbeitergeld bezahlt, auf d as die mit Honorarverträgen arbeitenden Schauspieler*innen keinen Anspruch haben. Da Schauspieler*innen häufig zwischen Festanstellung und Honorarverträgen wechseln, fallen sie aktuell durch das Raster der staatlichen Hilfen fallen. Unterstützt wird das Theater neben der Stadt München durch nicht erstattete Tickets und Spenden des Freundeskreises.
Auch wenn man bislang gut durch die Krise kam, macht sich der Intendant dennoch Sogen, ob das Publikum nach dem Lockdown wieder ins Theater zurückkehren wird oder ob es sich so an Netflix und Co gewöhnt hat, dass man sich nicht mehr zum abendlichen Besuch im Theater aus dem Haus bewegt. Auch die Frage, ob noch Schauspieler*innen zur Verfügung stehen werden, treibt ihn um. Wer die Möglichkeit hat, schließt aktuell einen Vertrag für eine Fernsehserie ab, um auf ein dauerhaftes Einkommen zurückgreifen zu können.
In einem online-Programm mit kurzen, assoziativen Videoclips hat das Metropoltheater darüber reflektiert, wie das Theater nach Corona aussehen könnte. Ein Streaming-Angebot gibt es allerdings nicht, da man davon überzeugt ist, dass Theater nur analog erlebt werden kann.  

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tag Theater Schauspieler*innen Streaming Unterstützung Finanzierung Kurzarbeit Quo vadis ars
Darstellende Kunst Interview

Zauber der lebenden Bilder . 125 Jahre Kino

by Andreas Busche (28 Dec 2020)
Original source: Tagesspiegel

Zum Jubiläum der ersten Kinovorführung am 28. Dezember 1895 bleiben die Kinos in diesem Jahr in fast allen Ländern geschlossen. Zum Feiern ist der Branche daher nicht zumute. Im Tagesspiegel reflektiert Andreas Busche aus Anlass des Jubiläums die aktuelle Lage der Branche.
An Weihnachten fand eine Premiere statt: Warner und Disney brachten erstmals Filme ohne Kinostart heraus. Die Ära des Blockbusters klingt damit aus. Ob im kommenden Jahr der neue James Bond das Publikum ins Kino zieht, bleibt abzuwarten. Im Jahr 2020 hat die Kombination aus Streamingdiensten und Pandemie der Branche extrem zugesetzt. Aktuell kommen die Filmtheater nur mit staatlicher Unterstützung durch die Krise. Das liegt nicht nur daran, dass das Filmtheater die Aura, die es im frühen 20. Jahrhundert umgab, verloren hat. Aktuell ist im Kinosaal statt Euphorie oftmals Misstrauen gegenüber den Menschen zu spüren, mit denen man gemeinsam im Saal sitzt. Allerdings – so erinnert Busche – war das Kino schon immer auf eine Mischkalkulation angewiesen. So erkannte der Fabrikant Stollwerk früh, dass der Verkauf von Schokolade im Kinosaal das Geschäft ankurbelt. Heute müssen die Kinobetreiber zum Überleben Schokolade, Nachos und Cola anbieten, weil sich der Kartenverkauf alleine nicht rechnet.
In regelmäßigen Abständen wird die Krise des Kinos ausgerufen. Daher ist sich Busche sicher, dass es auch diese Krise überstehen wird – zu den Optimisten, die darauf hoffen, dass die Pandemie ein Korrektiv für Fehlentwicklungen vergangener Jahrzehnte sein könnte, gehört er allerdings nicht.

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tag Kino Streaming Blockbuster Misstrauen Krise als Chance
Darstellende Kunst Bericht

Here’s the first Africa-wide survey of the economic impact of COVID-19 on cultural industries

by Ribio Nzeza Bunketi Buse (28 Dec 2020)
Original source: The Conversation

Dieser Bericht bezieht sich auf eine Studie zu den Auswirkungen der Pandemie für die Kreativwirtschaft in Afrika. Es werden quantitative Daten aus Senegal, D.R. Kongo, Kenia, Uganda, Namibia und Südafrika verglichen, aber auch qualitative Daten aus weiteren afrikanischen Ländern ausgewertet.  Der am stärksten betroffene Teilsektor innerhalb des Kultursektors in Afrika waren die darstellenden Künste, während die Non-Face-to-Face-Medien sich als widerstandsfähiger erwiesen. Überwiegend scheint der informelle Sektor betroffen zu sein. Ähnlich wie bei den Berichten über die Auswirkungen in den OECD-Ländern ist eine erhebliche Anzahl von Freiberuflern und sehr kleinen Unternehmen betroffen. Vor allem Peronen in prekären Beschäftigungsverhältnissen oder mit Kurzzeitjobs sind überproportional gefährdet.

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tag Afrika Prekariat Wirtschaftsfaktor informeller Sektor
Alle Sparten Bericht

»Es wurde zu viel abgesagt« . Kultur während Corona

by Axel Zibulski (26 Dec 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Bereits nach dem Frühjahrs-Lockdown war vielen Konzertveranstaltern kleinerer Veranstaltungen klar, dass sie finanziell besser auf Auftritte verzichten sollten. Die wenigen Plätze, die vergeben werden konnten, ermöglichten keine kostendeckenden Veranstaltungen. Dennoch haben viele von ihnen keine Mühen gescheut, um wieder Veranstaltungen anbieten, Künstler*innen auf die Bühne bringen zu können. Das Publikum nahm das Angebot dankbar an. Die Karten waren für jedes Konzert schnell ausverkauft. Karl-Werner Joerg, der in der R hein-Main-Region mehrere Abonnementreihen betreut, kritisiert, dass viele Veranstalter in vorauseilendem Gehorsam Konzerte abgesagt haben. Gerade bei den kleineren Konzerten ließe sich doch sehr gut auf Hygienekonzepte achten, weshalb – anders als bei einem großen Rockkonzert – eine Absage nicht notwendig erschien. Dies zeigt auch die Unterstützung, die er erfahren hat. Die Abonnenten haben ihn weitgehend unterstützt, einige Konzerte konnten mit öffentlichen Sonderzahlungen oder privaten Spenden ermöglicht werden.

Für einen freien Konzertveranstalter, der keinen eigenen Veranstaltungsraum besitzt, waren die Soforthilfen und Überbrückungsgelder während des Lockdowns nicht abrufbar. Einerseits hat er wenige Fixkosten, andererseits hatte er auch im Lockdown Einnahmen durch Abonnements, die er allerdings erst im Herbst zur Finanzierung der neuen Saison verwenden durfte.
In der aktuellen Lage fordert er vor allem, dass kleinere Veranstaltungen wieder stattfinden dürfen und dass die Branche mehr Solidarität zeigt. Wenn große Räume für kleinere Veranstalter geöffnet werden würden, so könnte diesen und dem Musiker*innen damit nicht nur geholfen werden, zugleich würde damit auch in der »Kulturindustrie« ein wichtiges Zeichen gesetzt: Wie in der Landwirtschaft oder dem Einzelhandel sollte es darum gehen, die kleineren Initiativen zu fördern, damit am Ende nicht nur große Ketten überleben.

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tag Konzertveranstalter Lockdown Planungssicherheit Solidarität Kulturindustrie
Musik Bericht

Schauspielhaus-Intendant Stemann: «Uns ist die Fähigkeit abhandengekommen, mit anderen Menschen mitzufühlen»

by Julia Stephan, Nicolas Stemann (22 Dec 2020)
Original source: Tagblatt

Kreativ und produktiv mit den Widerständen arbeiten, die die Corona-Krise für die Theaterschaffenden bedeutet, das ist das Markenzeichen von Nicolas Stemann, dem Co-Intendant des Schauspielhaus Zürich. Bereits im Frühjahr hat er mit Kolumnen für die Neue Zürcher Zeitung und den ›Corona-Passionsspielen‹ das Leben in der Pandemie kritisch und humorvoll zugleich begleitet. Im Home-Office hat er Songs für die Passionsspiele geschrieben, da ihm die Diskussion von Entwicklungen während der ausgesetzten Proben nicht mög lich war. Dennoch sieht er auch die negativen Seiten der Pandemie. Arbeitsabläufe müssen neu gedacht werden, Premieren verschoben, Besetzungen minimiert, Spielpläne neu geplant werden – das bedeutet natürlich auch eine große Belastung. Einerseits steigt damit für viele das Arbeitspensum, andererseits ist es gerade für Schauspieler*innen psychisch extrem belastend, wenn sie nicht auf ein Ziel hin Proben können. Dies ist mit ein Grund, warum das Schauspielhaus Zürich einmal in der Woche sehr erfolgreich eine Aufführung im Live-Streaming anbietet. 
Wichtig ist Stemann zu betonen, dass die Theater die Schließung der Häuser als wichtigen Beitrag zur Pandemie-Bekämpfung verstehen. Er sorgt sich nur darum, dass dieser durch zu wenige Einschränkungen in anderen Bereichen zu wenig Wirkung entfalten könnte. Im Hinblick auf die Sorgen und Probleme der Menschen während der Pandemie, hält er Kunst und Kultur für ausgesprochen wichtig, um gemeinsam in einem Diskussionsraum die offenen Fragen auszuhandeln und ein Ventil für Emotionen zu finden. Dass dieses im Moment nicht vorhanden ist, sondern stattdessen Emotionen wie Hass und Unverständnis in den sozialen Netzwerken ausgelebt werden, ist für ihn eines der großen Probleme der Theaterschließungen.

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tag Theater Tod Streaming Arbeitsalltag psychische Belastung Quo vadis ars
Darstellende Kunst Interview

Technik statt Theater? . Über das Bezahlmodell Streaming an deutschsprachigen Bühnen

by Barbara Behrendt (22 Dec 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Boten die Theater im ersten Lockdown vor allem interne Aufzeichnungen von Aufführungen im Streaming an, so sind seit November vermehrt Theaterstücke zu sehen, die explizit für den Live-Stream entwickelt wurde. Verbunden sind diese Produktionen mit online-Bezahlmodellen. Hier können die Zuschauer*innen erst mit dem Erwerb eines Tickets einen Live-Stream sehen. Für Theaterschaffende ist dies zunehmend wichtig. Damit wird nicht nur vermieden, dass die Zuschauer*innen ähnlich wie beim Fernsehen von Theater zu Theater wechseln, vor allem wertet d er Ticket-Kauf das Kulturerlebnis auf. Zudem können die Häuser damit zumindest einen Teil ihrer Ausgaben decken. Wenn wie in Leonie Böhms ›Leonce und Leonce‹ am Schauspielhaus Zürich die Regisseurin Leonie Böhm selbst die sechs Kameras anleitet und so den Blick lenkt, dann verspricht der Theaterabend auch ein künstlerisches Konzept. Reine Dokumentationen mit starrer Kameraführung fallen hingegen bei den Kritiker*innen durch. Am Deutschen Theater in Berlin ist man noch verhalten in Bezug auf das Live-Streaming, da die Zuschauerzahlen bei Produktionen, für die bezahlt werden muss, in den mittlerer dreistelliger Bereich gesunken sind. Auch die Sophiensäle in Berlin haben mit der Live-Performance der Gruppe Interrobang gute Erfahrungen gemacht. Allerdings sind hier auch für die Veranstaltungen im Theater die Teilnehmerzahlen im Vergleich zum Streaming sehr reduziert. Das Experimentieren mit Streaming und Hypridformen, so sind sich die Theatermacher einig, wird auch nach dem Lockdown eigene Formen der Präsentation entwickeln. In der Krise scheint den Theatermachern das Streaming ein willkommenes Experimentierfeld zu bieten, um kreativ Antworten auf die geschlossenen Häuser zu finden und den Kontakt zu ihrem Publikum zu halten.

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tag Theater Streaming Bezahlmodelle digitale Expertise Hypridmodelle Quo vadis ars
Darstellende Kunst Bericht

Kino in Corona-Zeit . Rückblick aufs (Katastrophen-) Filmjahr

by Walli Müller (20 Dec 2020)
Original source: NDR

Mitte Dezember beginnen die Jahresrückblicke. Besonders hart getroffen, hat es 2020 die Filmbranche und die Kinobetreiber. Sah der Jahresbeginn mit den ›Känguru-Chroniken‹ noch recht gut aus, so bedeutete die Corona-Pandemie einen Umsatzeinbruch auf das gesamte Jahr gesehen von 70 Prozent. Grund dafür sind nicht nur die erst im kommenden Jahr zu sehenden Hollywood-Blockbuster und die Konkurrenz der Streaming-Anbieter, sondern vor allem das reduzierte Platzangebot und der neuerliche Lockdown im November. Deutsche Produktionen wie ›Undin e‹ und ›Berlin Alexanderplatz‹ erreichten trotz Auszeichnungen und guter Kritiken nur ein kleines Publikum. Lediglich der Kinderfilm konnte mit ›Jim Knopf und die Wilde 13‹ gute Besucherzahlen aufweisen, trotz des geringen Platzangebots begann der November vielversprechend.
Positiv zu vermelden ist in 2020 das Revival der Autokinos und die hybriden Filmfestivals, die es durch Online-Zugänge nicht nur Besucher*innen vor Ort offen standen. Dennoch machen die Schließungen und die Konkurrenz durch die Streaming-Plattformen den Kinos schwer zu schaffen. Drei Häuser mussten corona-bedingt in diesem Jahr Insolvenz anmelden, ob das die einzigen Opfer der Branche sind, wird sich in 2021 zeigen.

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tag 2020 Kino Filmstarts Umsatzverlust Streaming Insolvenz
Darstellende Kunst Jahresrückblick

Der deutsche Staat verachtet Selbstständige und Kreative

by Sascha Lobo (09 Dec 2020)
Original source: Der Spiegel

Warum erhalten Solo-Selbständige in der Krise so wenig Unterstützung durch die GroKo? Diese Frage beschäftigt den Autor und Strategieberater Sascha Lobo in seiner Kolumne. Ausgehend von einem Interviews mit dem SPD-Politiker und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, in dem dieser darauf verwiesen hat, dass die Corona-Hilfen Mittel der Solidargemeinschaft sind. Da die Selbständigen bislang in keine Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, sind sie nun auf Transferleistungen des Staates angewiesen.  Aus diesem Grund fordert er im In terview eine Versicherungspflicht für Selbständige.
Was sich auf den ersten Blick plausibel anhört, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Versuch, Selbständigkeit in Deutschland einzudämmen. Grundsätzlich leisten die Selbständigen einen wichtigen Beitrag zur Solidargemeinschaft, indem die Rentenkasse seit Jahren zu einem Drittel mit Steuermitteln aufgefüllt wird, da die Rentenversicherung sonst pleite wäre. Die Selbständigen bezahlen also für eine Leistung, die sie selbst nicht erhalten. Eine Arbeitslosenversicherung für Selbständige ist seit der Jahrtausendwende immer wieder im Gespräch, allerdings wurde sie nie umgesetzt. Das Versäumnis, nicht Festangestellte in Sozialsysteme einzubinden, wird nun aber ins Gegenteil verwendet, da vor allem den Solo-Selbständigen vorgeworfen wird, Transferleistungen – d.h. Leistungen ohne Gegenleistungen – in Anspruch zu nehmen. Dass auch Selbständige Steuerzahler sind, wird stillschweigend übergangen. Auch der Hinweis des Finanzministers Olaf Scholz, dass die in der Pandemie besonders gebeutelten Solo-Selbständigen mit aller Kraft unterstützt werden, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Insgesamt 5.000 Euro werden ihnen bis zum kommenden Sommer angeboten, um ihre massiven Umsatzeinbußen aufzufangen. Novemberhilfen erhalten nur direkt betroffene Selbständige. Da aber gerade die Selbständigen divers aufgestellt sind, fallen sie schnell unter die 80 Prozent-Grenze, d.h. wenn sie weniger Umsätze mit direkt oder indirekt von Lockdown betroffenen Unternehmen erzielt haben, erhalten sie keine Unterstützung. Dabei sind es gerade die Solo-Selbständigen, die mit Innovationen die Wirtschaft voranbringen und unter Umständen so den Grundstein für große Unternehmen legen. Aber erst wenn Selbständige Festanstellungen generieren, erhalten sie die Anerkennung des Staates in Form von Milliardenhilfen, Staatskrediten oder Kurzarbeit.
Wie wenig die Arbeit von Kreativen und Selbständigen geachtet wird, zeigt Lobo am Beispiel der Autorin und Regisseurin Anika Decker auf. Sie hat das Buch des Megaerfolgsfilms »Keinohrhasen« geschrieben, wurde aber am Erfolg von der Produktionsfirma nicht beteiligt. Der verwertende Konzern wurde nun dazu verurteilt, die kreative Arbeit der Autorin zu honorieren, dennoch zeigt das Beispiel, wie wenig Kreativität in Deutschland geschätzt wird.
Warum hat in Deutschland die Selbständigkeit nach wie vor den Ruf unsolidarisch und irgendwie unseriös zu sein? Festanstellung hingegen wird als heilig angesehen? Ein wichtiger Grund hierfür liegt darin, dass zu viele Selbständige unsere sozialen Absicherungssysteme zu Fall bringen könnten. Ab 50 Prozent Steuermittelzuzahlung zur Rentenkasse, könnten Selbständige das System der Rente kippen, da es gegen das Gleichbehandlungssystem des Grundgesetzes verstößt. So wird ihnen wohl auch in Zukunft kein würdiges Instrument zur Altersabsicherung angeboten, stattdessen müssen sie sich Unsolidarität vorwerfen lassen.

 

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tag Festanstellung Stephan Weil Solidarität Solo-Selbständige Arbeitslosenversicherung Olaf Scholz Novemberhilfe Wertschätzung Konzerne
Alle Sparten Statement

»Unsere Politiker machen es sich zu einfach« . Harter Lockdown« für Kirche und Kultur

by Christian Hillgruber, Michael Köhler (09 Dec 2020)
Original source: Deutschlandfunk

Wie steht es in der Krise mit der Kunst- und Religionsfreiheit. Der Bonner Staatsrechtler Christian Hillgruber erläutert im Gespräch mit dem Deutschlandfunk in welchem Verhältnis beide zum Lebensschutz stehen, der in der Corona-Krise die Diskussion bestimmt. Grundsätzlich gilt, dass alle Grundrechte immer  wieder gegeneinander abgewägt werden müssen. Keines darf sich kategorisch durchsetzen und somit als ›Totschlagargument‹ eingesetzt werden.  Religions- wie Kunstfreiheit schätzt das Grundgesetz sehr. Sie dü rfen daher nicht beliebig verkürzt werden. Grenzenlose Einschränkungen sind juristisch auch mit dem Lebensschutz nicht begründbar. Das spielt gerade im Hinblick auf die Weihnachtszeit eine wichtige Rolle, denn für die Kirchen endet Weihnachten nicht mit dem 26. Dezember, sondern die Weihnachtsfeierlichkeiten dauern in den christlichen Kirchen bis zum 1. bzw.10. Januar an. Gerade im Hinblick auf den sich ankündigenden ›harten Lockdown‹ stellt sich die daher Frage, ob das Grundgesetz beschädigt wird, wenn alle anderen Freiheiten hinter dem Lebensschutz zurückstehen müssen.

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tag Kunstfreiheit Religionsfreiheit Weihnachten harter Lockdown
Alle Sparten Interview

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The signet of facing arts joining the faces of STORM.

Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

Das Team

Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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