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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Buchhandel setzt auf Digitalpräsenz . Frankfurter Buchmesse ohne Aussteller

by Alexander Skipis, Britta Bürger (08 Sep 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

Auf einer Pressekonferenz gab der Direktor der Frankfurter Buchmesse Juergen Boos die Absage der Präsenzmesse in den Messehallen in Frankfurt bekannt. Die Entscheidung ist gemeinsam mit allen Verlagen und den Vertretern der nationalen Stände gefallen. Die Restriktionen, vor allem die Reisebeschränkungen waren letztendlich zu groß, um an der Präsenzveranstaltung festzuhalten.
Für die Buchbranche ist die Messe ein wichtiges Standbein. Da von vornherein auch ein digitales Angebot geplant war, geht Alexander Skipis, Hauptgeschäftsf& uuml;hrer des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, davon aus, dass die Präsenz des Buches erhalten bleibt. Nach wie vor wird es in Frankfurt auch physische Veranstaltungen geben, bei denen Autor*innen live zu erleben sind.
Als weiteres Standbein werden auf einer digitalen Rechtehandelsplattform die Verlage die Möglichkeit haben, das bislang auf der Messe wichtige Rechtegeschäft abzuwickeln. Der persönliche Austausch wird an dieser Stelle aber nicht möglich sein.
Ein weiteres wichtiges Standbein der Buchmesse ist aber auch der der intellektuelle Austausch und die Meinungs- und Pressefreiheit. Diese Themen werden auch online und in Präsenzveranstaltungen behandelt werden. Mit solchen Online-Angebot werden sicher nicht so viele Leser*innen erreicht, wie mit einer Präsenzmesse. Die intensive Begegnung wird daher 2021 eine große Rolle spielen.
Eine Reihe von physischen Veranstaltungen wird es in Frankfurt geben. Neben den Preisverleihungen – Buchpreis und Friedenspreis – werden Lesungen in der Festhalle stattfinden. Medial werden sie gleichzeitig verbreitet und sind weltweit abrufbar. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass die fehlende Aufmerksamkeit für das Buch dem Buchmarkt schaden wird. Die Verkäufe werden wohl auch im Bücherherbst 2020 nicht wirklich befriedigend sein.

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tag Buchbranche Buchmesse Frankfurt Lesung Alexander Skipis virtuelles Angebot
Wort Interview

»Das ist kein Neustart, das ist der Tod auf Raten« . Konzertveranstalter und Corona

by Benjamin Fischer (17 Aug 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Stephan Thanscheidt ist Ko-Chef von FKP Scorpio. Die Firma mit rund 350 Mitarbeitern in 11 Ländern gehört nicht nur zu den größten Festivalorganistatoren Europas, das Unternehmen hat im vergangenen Jahr rund 3000 Konzerte von mehr oder weniger bekannten Musiker*innen – darunter Superstars wie Ed Sheeran oder David Guetta – ausgerichtet. Thanscheidt ist vor allem für die Ausrichtung der Festivals verantwortlich. So verbringt er im Sommer normalerweise mehr Zeit auf Festivals denn am Schreibtisch. Das ist wichtig, um das Gespür f& uuml;r die Wünsche und Erwartungen der Besucher*innen zu behalten.
Im März und April liefen bei FKP Scorpio die Planungen für die Sommerevents weiter. Zwar hatte man schon während des Lockdown ein ungutes Gefühl, aber ohne eine längerfristige Absage durch die Behörden, hatte das Unternehmen keine andere Wahl, als die Festivals erst einmal zu verschieben, um den Versicherungsschutz nicht zu verlieren. Das war ein enormer Aufwand, mussten doch immer wieder Veranstaltungen und die entsprechenden Karten umgebucht werden. Die Werbung wurde neu aufgelegt, nur um dann die nächste Verschiebung anzukündigen.
Die Branche, die selbst in der Wirtschaftskrise 2009 kaum Einnahmeausfälle hatte, sieht sich nun vor völlig neuen Herausforderungen. Kurzarbeit und Homeoffice waren bislang völlig fremd. Zwar finden regelmäßige digitale Treffen statt, aber die gemeinsame kreative Arbeit lässt sich nur schwer realisieren. Vor allem für die zehn Auszubildenden ist die Situation mehr als unbefriedigend, lernen sie doch aktuell nur Teile der geplanten Aufgabenbereiche kennen.
Im Sommer hat man sich in der Branche auf Stillstand bis Weihnachten eingerichtet. Sollten auch im kommenden Jahr keine Veranstaltungen möglich sein, stehen viele Unternehmen vor dem Aus. Zwar entsteht im Moment in der Öffentlichkeit und der Politik der Eindruck, dass durch Autokino-Konzerte oder andere Veranstaltungen wieder Geld in die Kassen komme, dabei handelt es sich nach Aussage von Thanscheidt aber nicht um ernst zu nehmende Einnahmen, sondern vielmehr um einen »Tod auf Raten«. FKP Scorpio hat in den letzten Jahren solide gewirtschaftet und kann noch auf Rücklagen zurückgreifen. Sollten aber auch im kommenden Jahr keine Festivals mit normaler Kapazität stattfinden können, wird es auch für FKP Scorpio eng.

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tag Konzertveranstalter Festivals Versicherung Planungssicherheit Exit-Strategie Auszubildende
Musik Beitrag

Der verzögerte Kulturinfarkt . Resilienz des Kulturbetriebs

by Dieter Haselbach, Pius Knüsel (27 Jul 2020)
Original source: Kulturmanagement

Die Corona-Krise macht die Zweiklassengesellschaft im Kulturbetrieb sichtbar. Während die öffentlich finanzierten Einrichtungen zwar Einnahmeverluste hinnehmen müssen, sind die Jobs der teilweise in Kurzarbeit befindlichen Mitarbeitern sicher. Die öffentlichen Kassen übernehmen die auflaufenden kosten. Anders sieht es im privat finanzierten Bereich aus. Vom Theater über Kinos bis zu Klubs stellt sich die Frage, wie lange die Kapitaldecke ausreichen wird und ob die öffentlichen Hilfen ausreichen, um über die Krise zu kommen. Die Ple itewelle wird nicht ausbleiben. Selbständige Künstler*innen und ihre Hilfsberufe sind die Leidtragende der Krise, vor allem wenn ihre Tätigkeit Publikum voraussetzt: Live-Musiker*innen, Schauspieler*innen, Tontechniker*innen, Festivalmitarbeiter*innen, Kulturpädagog*innen, Honorarkräfte in Musikschulen und Puppenspieler*innen. Diese »unerschöpfliche Reservearme für die Institutionen« war bereits vor der Krise schlecht bezahlt. Da das Einkommen nur für die laufenden Lebenskosten ausreichte, führt dessen Wegfall direkt in eine existentielle Krise.
In Anbetracht der Tatsache, dass bereits vor der Krise über den Publikumsschwund in Kultureinrichtungen und den Bedeutungsverlust der Museen diskutiert wurden, sind die Verfasser über einen Beitrag von Tobias J. Knobloch, Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft, irritiert, der anmahnte, die öffentliche Finanzierung auszuweiten, um die Krisenfolgen für den Kulturbetrieb abzuwenden. In diesem Zusammenhang spricht er auch von Resilienz.
Hierbei darf nicht vergessen werden, dass in der Krise die große Zeit der Kulturverbände ist. Sie versuchen nun, einen Teil von den öffentlichen Geldern abzubekommen. Anders sieht es bei den Solo-Selbständigen aus, die durch die Förderraster der Bundes- und Landesregierungen fallen. Die Kulturverbände wehren sich in dieser Situation dagegen, dass der Zugang zum ALG II der einzige Ausweg aus dieser Misere sein soll. Lediglich Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat mahnte, dass der Zugriff auf das soziale Sicherungssystem ein Segen sein, der seit vielen Jahren vier Millionen Menschen zugemutet wurde. Warum also nicht als Künstler*in in Krisenzeiten auf das soziale Netz zugreifen?
Hier kommen die Autoren zum Hauptpunkt ihres Beitrags: Viele Künstler*innen verfügen nicht über ein Geschäftsmodell, das tragfähig wäre und Rücklagen und eine sinnvolle Alterssicherung vorsieht. Krisen- und Altersvorsorge auf später zu verschieben, ist kein Modell mit Zukunft. Auch wenn der Staat aktuell freigiebig ist, muss im Kulturbereich nachhaltiges Wirtschaften Einzug halten.
Aber auch in den öffentlichen Einrichtungen offenbart die Krise des Systems. Da im öffentlichen Bereich keine Rücklagen gebildet werden dürfen, operieren die Einrichtungen immer am Rande der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Andererseits folgt man den Null-Imperativ. Es werden keine Risiken eingegangen, d.h. aber im Umkehrschluss auch, dass keine Veränderungen möglich sind.
Aktuell wird jeglicher Kritik mit dem Hinweis auf die Corona-Krise begegnet. Dennoch stellt sich die Frage, ob die gewählten Förderinstrumente zielführend sind.
In ihrem Ausblick gehen die Autoren davon aus, dass die großen staatlich finanzierten Häuser die Krise überstehen werden, viele Soloselbständige und privat finanzierte Häuser aufgeben werden. Auch der Kulturtourismus wird 2021 wieder einsetzen. Die einzige Chance der Akteur*innen besteht darin, sich neue Handlungsspielräume zu erarbeiten. Einen Kulturinfarkt vermeiden kann man aktuell nur, wenn die Förderinstrumente und Organisationsprinzipien überdacht werden und die Digitalisierung vorangetrieben wird.

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tag Museen Kulturförderung Soforthilfe Solo-Selbständige Hartz IV Olaf Zimmermann Tobias J. Knobloch
Alle Sparten Bericht

Die Buchbranche leidet und macht Verluste . Ein Virus namens Angst greift um sich

by Paul Jandl (17 Jul 2020)
Original source: Neue Züricher Zeitung

Bereits vor der Krise sah es in der Buchbranche nicht rosig aus. In den vergangenen Jahren sank die Zahl derjenigen, die sich regelmäßig ein Buch kaufen, ständig. Die Corona-Krise, während der viele zu anderen Medien wechselten und Amazon lieber Klopapier als Bücher auslieferte, verstärkte diesen Trend. Die Branche verzeichnet Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr einen Verlust von 17,5 Prozent. Und so reagieren viele Verlage mit einem Sparprogramm. Im Herbst werden weniger Neuerscheinungen zu verzeichnen sein. Mit einem »zweiten Frü hling« soll im Herbst für die Neuerscheinungen des Frühlings geworben werden, denen aufgrund der Absage der Leipziger Buchmesse und des Lockdowns die Aufmerksamkeit fehlte. Die Unterstützung der Branche kommt auch von den politischen Entscheidungsträgern. Im Programm „Neustart Kultur‟ sind rund 10 Millionen Euro für den Buchmarkt vorgesehen.
Wie sehr die Branche mit ihrer Neuerfindung ringt, zeigten die Querelen um die Frankfurter Buchmesse im Oktober. Viele Verlage haben ihre Teilnahme inzwischen abgesagt, nachdem die Verantwortlichen sehr früh beschlossen haben, die Messe mit einem alternativen Konzept durchzuführen. So denkt man in Frankfurt inzwischen darüber nach, das Branchentreffen in ein Kreativfestival umzuwandeln, in dem neben der Literatur auch Musik, Pop und Gaming präsent sind. Im Moment ist zu befürchten, dass die Angst in der Branche einen wesentlich größeren Schaden anrichtet als das Virus.

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tag Buchbranche Buchmesse Neustart Kultur Umsatzeinbruch zweiter Frühling
Wort Bericht

Zerreißprobe für die Buchmesse

by Sandra Kegel (04 Jul 2020)
Original source: Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Frankfurter Buchmesse ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Branche, sie ist zugleich eine historische Institution, kann sie doch auf eine geistige Tradition und fünfhundertjährige Geschichte zurückblicken. Dass das in Corona-Zeiten kein Garant von Sicherheit ist, zeigen die aktuellen Diskussionen in Frankfurt. Der Oberbürgermeister Peter Feldmann wollte in den vergangenen Tagen ein neues Konzept für die Messe im Jahr 2021 verkünden, dabei sollte neben der Literatur auch Musik und Gaming vertreten sein. Ein Aufschrei in der Buchbranche, mit der das Konzept vorher nicht diskutiert wurde, führte zur kurzfristigen Absage der Pressekonferenz.
So einige sich die Branche in der Beibehaltung der Messe in Frankfurt ist, so sehr ringt die Buchmesse für 2020 um ein tragfähiges Konzept. Einige große Verlagskonzerne wie Bonnier, Holtzbrinck und Random House haben bereits angekündigt, in diesem Jahr nur digital vertreten zu sein, während andere wie Piper, Rowohlt und Luchterhand ihre Messebeteiligung bereits abgesagt haben. Auch die Verleihung des Deutschen Buchpreises im Kaisersaal, seit einigen Jahren der Auftakt der Messe, wird ohne Saalpublikum stattfinden. Doch angesichts der aktuellen Schwierigkeiten sollte man sich der Zerreißprobe stellen und sich auf die Stärken der Messe besinnen und diese stabilisieren anstatt frühzeitig das Handtuch zu werfen.

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tag Literatur Buchmesse Frankfurt
Wort Bericht

War’s das mit dem Wumms? . Aktionsplan und Stellungnahme des Netzwerk Autorenrechte (NAR) zum Konjunkturpaket „NEUSTART KULTUR“

by Netzwerk Autorenrechte (05 Jun 2020)
Original source: Netzwerk Autorenrechte

Das von der Bundesregierung am 3. Juni verabschiedete Konjunkturpaket soll laut Finanzminister Olaf Scholz mit einem »Mit Wumms aus der Krise« führen. Das Netzwerk Autorenrechte hat das für die Kultur- und Kreativwirtschaft vorgesehene Programm NEUSTART KULTUR daraufhin geprüft, welche Unterstützung es der Buchbranche und vor allem den Autor*innen und Übersetzer*innen anbietet. Die Bilanz ist im Anbetracht der Wertschöpfung der Branche, die hinter der Automobilindustrie an Nr. 2 im Branchenvergleich steht, ernüchte rnd. Die Aufteilung auf die verschiedenen Sektionen der Kultur- und Kreativwirtschaft lässt zudem vermuten, dass Autor*innen und Übersetzer*innen in Hartz IV abgedrängt werden, da Solo-Selbständige ohne laufende Fixkosten in keines der vorhandenen Förderformate passen. Aus diesem Grund fordert das Netzwerk ein umfassenderes Hilfspaket das unter anderem  »ein ABGESAGT-FONDS, ein COMEBACK-Fonds, ein LITERATUR-ONLINE-Fonds sowie ein LESEN!-Fonds« enthält.
Diese Gestaltung mit unterschiedlichen Formaten würde auch der Tatsache Rechnung tragen, dass die Buchbranche längerfristig von den Folgen der Corona-Krise betroffen sein wird. Verlage haben schon jetzt angekündigt, im Herbst nur ein reduziertes Programm zu veröffentlichen. Um dieses erfolgreich vermarkten zu können, werden hier vor allem die bekannten Autor*innen zum Zuge kommen. Damit erschwert sich nicht nur der Marktzugang für junge Autor*innen, sondern darüber hinaus werden Einnahmen durch Lesungen, Verwertungsverträge, Zuschüsse und Tantiemen als Einkommensquellen wegfallen.
Nicht nur in Anbetracht der Wirtschaftsleistung der Buchbranche und der kulturellen Bedeutung der Literatur, sondern auch aus Gründen der Bibliodiversität darf an dieser Stelle nicht gespart werden.

 

 

 

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tag Buchbranche Konjunkturpaket Hartz IV
Wort Statement

Das Eine-Milliarde-Euro-Baby

by Dirk Peitz (05 Jun 2020)
Original source: Zeit

Dirk Peitz geht der Frage nach, wie die Krise der Kultur in Deutschland genau zu beschreiben ist und wer aktuell die Kosten trägt, die in der Kulturbranche entstehen.
In den ersten Monaten der Krise hat die öffentliche Hand mit Soforthilfen Solo-Selbständigen und bislang nicht subventionierten Einrichtungen über die Krise hinweggeholfen. Im Kulturpaket sind nun Hilfen für Kultureinrichtungen vorgesehen. Eine Milliarde wird aber nicht ausreichen, um die Kulturszene und das Kulturangebot wie wir es aus Vor-Corona-Zeiten kennen, aufrecht zu erha lten.
Aber: Der Bund kann nicht alle Verluste von Privatunternehmen auffangen – zumal Länder und Kommunen die zentralen Kulturförderer in Deutschland sind. So sind die Gelder aus dem Kulturpaket vor allem für Kosten für die Einhaltung von Hygieneregeln, Privattheater, Kinos und Filmproduktion vorgesehen.
Die entscheidende Frage: Was kann man und was will man erhalten, wurde bislang nicht gestellt. Beantwortet werden kann sie erst, wenn absehbar ist, wie langanhaltend die Wirtschaftskrise die öffentlichen Kassen beeinträchtigen wird. Da die Kulturbranche in Unterschied zur Lufthansa keine überragende strategische Bedeutung hat, wird sie nie solch hohe Fördersummen erhalten, wie sie anderen Branchen und Unternehmen zugestanden wird.
Die »latent fehlende Systemrelevanz« wird nun zum Problem, kann die Kultur doch nicht nachweisen, dass sie als »Lebensmittel« oder »Wirtschaftsfaktor« von zentraler Bedeutung für unsere Gesellschaft ist. Was aktuell nicht ins Wohnzimmer gestreamt werden kann, spielt keine Rolle. Und so zeigt Peitz auf, warum Kultur nun gerade keine vegetative Grundbedürfnisse befriedigt, ihren Konsument nicht einmal zu einem besseren Staatsbürger macht.
Aber – so erläutert er das Paradox – obwohl die Kultur ein »totales Luxusprodukt« ist, ist sie auch zugleich ein elementares Medium. Sie ermöglicht es dem Gemeinwesen, sich über elementare Werte zu verständigen.
Noch gibt es keine belastbaren Zahlen, wie stark wiedereröffnete Museen, Kinos, Konzerthallen und Clubs nachgefragt sind. Auch bislang waren es nur rund 10 Prozent der Bevölkerung, die mindestens einmal im Monat eine Kultureinrichtung besucht haben. Allerdings zählt die Kulturbranche rund 1,7 Millionen Beschäftigt. Die Zahl findet Dirk Peitz so überzeugend, dass er am Ende doch für eine pragmatische Kulturpolitik plädiert. Die schiere Menge scheint auch zu gewährleisten, dass ab und an gute Kunst entstehen kann. Noch stehen die Karten gut, dass die Kulturbranche weiterhin unterstützt wird – wenn der Druck der Wirtschaftskrise zu groß wird, könnte es aber durchaus sein, dass die Karten neu gemischt werden….
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tag Monika Grütters Konjunkturpaket Kulturförderung Systemrelevanz
Alle Sparten Analyse

Was wir im Lockdown über das Digitale gelernt haben

by Anika Meier (02 Jun 2020)
Original source: Monopol

Die Corona-Krise hat die Verlagerung ins Digitale extrem beschleunigt. Auch Kunstausstellungen wurden in Zeiten des Lockdowns online präsentiert. Wenn es keine andere Wahl gibt, dann greifen auch diejenigen, die Onlinemedien eher gemieden haben, auf Soziale Medien zurück, um sich mitzuteilen und auszutauschen. Anika Meier geht in ihrer Kolumne der Frage nach, was wir in der Krise im Hinblick auf das Digitale gelernt haben.
Livestreams werden zu den neuen Podcasts. Allerdings bekommen die Zuschauer*innen das Gespräch ungefiltert mit. Kein Journalist, keine Journalistin redigiert und streicht Redundantes und Überflüssiges. Dadurch kommt man den Künstlerpersönlichkeiten näher, ist aber vielleicht auch etwas enttäuscht, weil diese nicht so sind, wie man sie sich vorgestellt hat.
Ebenfalls große Aktualität haben Online Viewing Rooms. In ihnen versuchen Messen und Galerien ihr Angebot zu den Sammlern zu bringen. Der Scroll- und Klickmarathon kommt aber bei den Besucher*innen nicht gut an. Das Flair der Messe fehlt, die Technik ist noch nicht wirklich ausgereift und so macht sich schnell Langeweile breit. Dennoch ist die Branche überrascht, denn – so der Galerist Iwan Wirth – die Bereitschaft der Sammler online einzukaufen ist größer als erwartet.
Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist setzen hingegen auf den Einsatz neuer Technologien: Augmented Reality ist die Zukunft. Allerdings hat Anika Meier begründete Zweifel, ob ein Regenbogen, der über ihren Küchenboden schwebt, wie ihn aktuell die koreanische Künstlerin Koo Jeong A zeigt, »die Zukunft der Kunst ist«. Und auch die von Daniel Birnbaum gepriesene kuratorische Leistung desjenigen, der die Kunst – in diesem Fall den Regenbogen – in der eigenen Wohnung plaziert, kann sie nicht so ganz nachvollziehen. Das Interesse der Kunstkritikerin haben hingegen Arbeiten junger Künstler*innen auf Instragram und Snapchat geweckt, die spielerisch an der Erweiterung ihrer digitalen Identität arbeiten.
Abschließend holt Anika Meier zur Fundamentalkritik im Umgang mit dem Digitalen aus: Noch haben sich keine Bewertungskriterien für das Digitale entwickelt, aber »nur weil irgendetwas digital gemacht wird, ist es nicht gleich der heiße Scheiß.« Im Moment pendelt die Kritik noch zwischen naiver Euphorie und uninformierter Kritik. Hier muss unbedingt die Erwartungshaltung der Kritik, aber auch die Möglichkeiten des anderen Mediums mitbedacht werden. Dass ein digitaler Ausstellungsrundgang nicht mit einem Besuch im Museum vergleichbar ist, bezweifelt niemand. Allerdings hat der virtuelle Rundgang andere Qualitäten, die auch gesehen und angemessen bewertet werden sollten.

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tag Online Viewing Room Streaming Augmented Reality Hans Ulrich Obrist Iwan Wirth Koo Jeong A Krise als Chance
Bildende Kunst/Design Kolumne

In Zeiten der Abstandsästhetik . Theater unter Corona-Bedingungen

by Stefan Grund (26 May 2020)
Original source: Welt

Auch für die Theater im Land gelten unterschiedliche Regelungen. Während in Rheinland-Pfalz die ersten Häuser Ende Mai wieder öffnen durften, bleiben die Bühnen in Hamburg is Ende Juni geschlossen. Damit werden die ersten Aufführungen erst mit Beginn der neuen Spielzeit zu sehen sein. Die Proben hierfür haben sowohl am Deutschen Schauspielhaus als auch am Thalia Theater wieder begonnen. Hierfür hat sich einiges verändert. Abstandsregeln werden eingehalten, Handschuhe und Desinfektionsmittel sind jederzeit verfügbar, es wird regelmäßig gelüftet und die Einhaltung der Hygieneregeln wird von Bühnenmeistern überwacht. Am Schauspielhaus wurde die Spielfläche um die Hinterbühne erweitert, das technische Team sitzt hinter Plexiglas und die Schauspieler halten Abstand. Im Thalia Theater wird die Mediensatire „Network“ eingeübt. Das Bühnenbild zeigt ein Fernsehstudio, das corona-bedingt in kleine Räume geteilt ist. Meist bleiben die Schauspieler in ihren Räumen, nur in wenigen Szenen sind sie gemeinsam in einem Raum zu sehen. So lassen sich Abstandsregeln gut umsetzen. Da auch die Schauspieler*innen durch die Krise verunsichert sind und einige von ihnen zur Risikogruppe zählen, gibt die Einhaltung der Hygieneregeln allen ein Gefühl der Sicherheit. 
Die nicht selbst gewählte Verfremdung, die durch die Einhaltung der Hygieneregel in der einen oder anderen Szene entsteht, stört Regisseur Jan Bosse nicht. Er macht während der Proben die Erfahrung, dass die Phantasie auf eine ganz eigene Weise angeregt wird und so Regieeinfälle entwickelt werden, auf die man vor Corona nicht gekommen wäre. Andererseits versteht er »Corona eine kollektive Erzählung«, die einen gemeinsamen Erfahrungshorizont der Zuschauer eröffnet. Auf diesen kann man auf ganz verschiedene Weise zugreifen, ohne befürchten zu müssen, dass eine Anspielung nicht verstanden wird. Auf Dauer kann er sich die corona-bedingte Spielweise nicht vorstellen, da er davon ausgeht, dass sich schnell Langeweile ausbreitet. Aktuelle Aufführungen dürfen aber den Riss in sich tragen, den die Gegenwart mit sich bringt. 

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tag Theater Probenbetrieb Hygieneregeln Hamburg Jan Bosse
Darstellende Kunst Bericht

Zurück aus dem Netz: Theater unter Corona-Auflagen

by Susanne Burkhardt, Elena Philipp (22 May 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

In einigen Bundesländern scheint für die Theater die Öffnung nach dem Lockdown wieder in greifbare Nähe zu rücken. Die Einhaltung der Hygieneregeln stellt die Häuser allerdings vor die Frage, wie ein »corona-taugliches« Theater aussehen kann. Im »Theaterpodcast« des Deutschlandfunk gehen Susanne Burkhardt und Elena Philipp mit der Theaterkritikerin Cornelia Fiedler und dem Schauspieler Matthias Wuttke der Frage nach, welche Einschränkungen die Krise mit sich gibt und welche Chancen die Wiedereröffnung der H& auml;user mit sich bringen kann.
Aktuell ist der Theaterbetrieb weitgehend ins Internet verlegt. Über Streamings können am heimischen Bildschirm Aufführungen gesehen werden, selbst das renommierte Berliner Theatertreffen wurde nur online ausgetragen. Zeigen sich klassische Theaterbesucher*innen inzwischen genervt von den Onlineangeboten und sehnen sich nach »echtem« Theatererleben, so bleibt zumindest die Hoffnung, dass die Demokratisierung des Theaters im Netz auch weniger theateraffine, aber kulturell interessierte Nutzer*innen erreicht.
Nur wenige Häuser haben gegenwärtig Wege gefunden, aktuelle Produktionen unter den Bedingungen des Lockdowns zu zeigen. Besonders hervorzuheben sind hier die Hörspaziergäng mit Schauspieleinlagen, die das Theater Oberhausen mit Elfriede Jelineks »Prinzessinendramen« anbietet und von denen Cornelia Fiedler begeistert berichtet. Die Suche nach geeigneten Stücken für die kommende Spielzeit ist schon fortgeschritten, wenn beispielsweise Kassel und Wiesbaden planen Beckett zu spielen, weil seine Stücke von Einsamkeit handeln und so die Abstandsregeln auf der Bühne gut einzuhalten sind. Allerdings sind sich die Teilnehmer*innen einig, dass Theater unter Corona-Bedinungen auch schnell lächerlich oder gar traurig werden kann, wenn man sich die Hygieneregeln in einer konkreten Theateraufführung umgesetzt vorstellt.
Als problematisch an der Diskussion um Abstandsregeln hebt Cornelia Fiedler hervor, dass aktuell die Verantwortung von der Politik auf die Häuser bzw. die Besucher*innen verlagert wird. Die meisten großen Häuser werden zwar im Juni den Probenbetrieb wieder aufnehmen, die Spielzeit aber erst im Spätsommer oder Herbst beginnen. Für die kleinen Häuser hingegen wird die Öffnung unter strengen Auflagen insofern zum Problem als für sie dann die Unterstützung durch Kurzarbeit, etc. wegfällt. Bei 100 Prozent der Kosten werden nur 25 Prozent an Besucher*innen erwartet. In Düsseldorf kam die Idee des Theatertauschs auf, weil die großen Häuser erst einmal nur Proben, aber nicht vor Publikum spielen. Könnte das »Theater an der KÖ« im Schauspielhaus spielen, wären durch dieses Zeichen der Solidarität zumindest die Einnahmen gesichert. Allerdings müssten die großen Häuser dann auf die Solidarität von Fußballstadien hoffen, um ihre normale Besucheranzahl bespielen zu können.
Aufschlussreich sind die Überlegungen im Podcast zu den Chancen für Theater in Coronazeiten. Beim gemeinsamen Brainstorming zeigt sich, dass die Theatergeschichte der letzten Jahre und Jahrzehnte viele innovative Formate entwickelt hat, die nun wieder aufgegriffen werden können. Matthias Wuttke berichtet von dem Stück »Stadion der Weltjugend«, für das er am Schauspiel Stuttgart in einem Autokino aufgetreten ist. Auch die Entwicklung von Freiluftbühnen, Drive-In-Theatern, Containertheater in Anlehnung an Christoph Schlingensief oder Formate im Stadtraum, wie sie Rimini-Protokoll in den letzten Jahren entwickelt haben, werden genannt. Im Gegensatz zum Intendant der Berliner Schaubühne, Thomas Ostermeier, der Theater unter Corona-Bedingungen als »Theater zum Abgewöhnen« bezeichnet, sieht der Schauspieler Matthias Wuttke in den ungewöhnlichen Formaten eine Chance für die Theaterlandschaft. Er führt dies unter Verweis auf die Inszenierung von Ibsens »Wildente« von Vergard Vinge und Ina Müller aus: Die Schauspieler spielten in einer Box und es konnten jeweils nur wenige Besucher*innen durch einen Sehschlitz verfolgen, was gespielt wurde: »Dass etwas stattfindet, was nicht so viele Menschen im selben Moment sehen können, ist auch eine Alternative. Man sieht ja, dass in der Kiste etwas hoppelt. Theater kann anders aufregend sein.‟
Wo sich allerdings die Theaterwelt noch etwas gedulden muss, sind Stücke, die auch inhaltlich auf die Krise reagieren. Außer Panikreaktionen, die sicher auch der finanziellen Misere geschuldet sind, werden aktuell noch keine neuen Themen verhandelt. In der nächsten oder vielleicht gar erst in der übernächsten Spielzeit werden die Theaterprogramme aber sicher eine Antwort auf die Corona-Krise geben.

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tag Theater Theaterformen Onlineangebote Hygieneregeln Cornelia Fiedler Matthias Wuttke
Darstellende Kunst Podcast

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Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

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Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

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