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Quo vadis ars?

In zahlreichen Interviews, Corona-Tagebüchern, Kommentaren und Berichten wurde in den letzten Wochen die Situation der Kulturbranche beschrieben und diskutiert. Unsere kommentierte Sammlung von mittlerweile 193 Quellen versammelt Stimmen aus unterschiedlichen Sparten und Medien. So entsteht ein Bild der Kulturlandschaft in der Krise, deren zeitliche Wandlung interaktiv über eine eigene Tag-Cloud erdkundet werden kann.


 

Kein »Zurück auf Los« für die Kultur

by Gero Schließ (30 May 2020)
Original source: Deutsche Welle

Neben der Luftfahrt, dem Tourismus und der Gastronomie hat die Pandemie vor allem die Kultur hart getroffen. Noch wartet die Kultur- und Kreativwirtschaft auf das rettende Konjunkturpaket, das die Folgen  ausgleicht und die Infrastruktur erhalten soll. Denn was bereits jetzt schon absehbar ist: der Schaden in der Branche ist gigantisch und er wird Langzeitwirkung haben. 
Dabei bringt die Krise Zutage, was den Insidern der Branche lange bewusst war:Im Land der Dichter und Denker wird das »Wahre und Schöne wird oft unter prekären Bedin gungen hergestellt«. Da alleine rund 340.000 Beschäftigte mit einem Jahreseinkommen von weniger als 17.500 Euro im Jahr als sogenannte Mini-Selbständige tätig sind, waren die Rücklagen schnell aufgebraucht. Die Soforthilfe der Länder waren da lediglich Erste-Hilfe-Maßnahmen, die nun durch eine langfristige Perspektive abgelöst werden muss. 
Erst wenn diese Aufgabe bewältigt ist, sollte auch die Systemfrage gestellt werden: Was sind uns Kunst- und Kulturschaffende wert? Wie werden Veranstaltungen in Zukunft aussehen? Wird man auf Großveranstaltungen verzichten und stattdesen wieder mehr auf regionale Events setzen? Denn der Wesenskern der Branche - so viel ist gewiss - wird auch nach der Krise in der Begegnung, dem Dialog bestehen. Darauf dürfen wir nicht verzichten. 

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tag Konjunkturpaket Mini-Jobs prekäre Lebenslage kulturelle Infrastruktur
Alle Sparten Kommentar

Folge #4: Lutz Leichsenring . Happy Endzeit - der Popkultur Podcast

by Lutz Leichsenring, Marcus Mötz (28 May 2020)
Original source: Tonspion

»United We Stream« wurde sehr schnell zu Beginn des Lockdowns im März von der Berliner Clubcommission ins Leben gerufen. In Zusammenarbeit mit Arte Concert werden seit dem 18. März aus unterschiedlichen Clubs – zu Beginn nur aus Berlin, aktuell auch deutschland- und weltweit aus 45 Städten – Livekonzerte gestreamt. Die Zuschauer*innen können über Spenden die Clubszene unterstützen. Marcus Mötz spricht mit dem Sprecher der Clubcommission Lutz Leichsenring über die Clubszene in Berlin und die Kampagne »U nited We Stream«.
Städte bestehen nicht nur aus Galerien und Einkaufszentren. Prägend für ihre DNA, so Lutz Leichsenring, ist die jeweilige Clubszene. Diese hat nicht nur einen ästhetischen und kulturellen Faktor, sondern ist auch als sozialer Raum nicht nur, aber auch für marginalisierte Gruppen von großer Bedeutung. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass die Clubszene ein großer Arbeitgeber ist. Alleine in Berlin sind über 9.000 Menschen in Clubs beschäftigt. Diese Räume und Arbeitsplätze gilt es zu retten.
Bis Mitte Mai wurden über »United We Stream« rund 1 Millionen Spenden gesammelt. Damit können Honorare für die Onlinekonzerte und Clubmieten der jeweiligen Veranstalter bezahlt werden. Ansonsten dient das Geld vor allem dazu, besonders stark in Bedrängnis geratene Clubs zu unterstützen. Die Szene retten wird »United we stream« nicht. Alleine für Berlin sind im Monat für Personal, Mieten, Leasingverträge, usw. rund 10 Millionen notwendig. Da können die Spenden nur in Einzelfällen helfen, Kündigungen von Mietverträgen oder Mahnungen abzuwenden.
Aktuell helfen die unterschiedlichen Soforthilfeprogramme – vom Kurzarbeitergeld über Hilfe für Solo-Selbständige bis hin zu Darlehen – den Clubs etwas Liquidität zu verschaffen und so über den Sommer zu kommen. Solo-Selbständigen rät Leichsenring Sozialhilfe zu beantragen. Im Blick auf andere Länder sagt er, müssen wir in Deutschland froh sein, dass wir dieses soziale Netz haben. Wer im Ausland keine Rücklagen hat, für den ist die aktuelle Situation dramatisch.  
Über die Onlineplattform »United We Stream« wurde sehr schnell in der Presse berichtet. Die Schaffung einer großen Öffentlichkeit war wichtig, um mit der Politik ins Gespräch zu kommen. Das neue Format »United We Talk«, in dem mit Podcasts und Sprachbeiträgen Inhalte geliefert und diskutiert werden, ist ein Statement der Szene. Man fühlt sich als progressive Speerspitze der Gesellschaft, wenn es darum geht, politisch-gesellschaftliche Fragen zu diskutieren. Wenn es notwendig ist, kann die Szene auch Menschen mobilisieren: »Clubkultur ist weit mehr als Party, ein DJ und eine Tanzfläche.«

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tag Clubszene United We Stream Berlin Subkultur
Musik Podcast

Corona-Chronik (10, die letzte) . Siege der Frechheit und Impfstoffe der Phantasie

by Nicolas Stemann (25 May 2020)
Original source: Neue Züricher Zeitung

Auf kritische und unterhaltsame Weise hat der Co-Intendant am Schauspielhaus Zürich Nicolas Stemann in den letzten zehn Wochen in der Neuen Züricher Zeitungen seine Erfahrungen und Reflexionen über das Leben in Zeiten der Pandemie in einer Corona-Chronik zusammengefasst. Die Bühne, die ihm die Zeitung bot, möchte er nun wieder gegen die reale Bühne im Schauspielhaus tauschen. Die Viren, so ist er sich sicher, werden schnell einsehen, dass es ihnen auf vollen Caféterrassen oder in distanzlos gefüllten Warenhäusern wesentlich besser geht, als im Theater. Dieses muss wohl auch mit seinen Waffen gegen ganz andere Gefahren kämpfen, nämlich gegen all diejenigen, die nichts wissen, aber doch so tun, als wüssten sie Bescheid: »Ein Fall für Satire, Kunst und tiefere Bedeutung, kurz: für ein säkulares Passionsspiel.« Im Innenhof des Schiffbaus werden die Passionsspiele über die Absurditäten des Corona-Alltags ab Ende Juni zu sehen sein. Fraglich ist nur, wie viele Zuschauer*innen wohl zu den Aufführungen zugelassen werden. Leere Reihen aus Verantwortung für die Gesundheit der Gäste – dieses Bild führt Stemann zum eigentlichen Kritikpunkt seines Chronikbeitrags: Während die Kultureinrichtungen sich mit Hygienekonzepten zum Schutz der Besucher*innen und Mitarbeiter*innen beschäftigen, verkünden die Fluggesellschaften, »dass sie den mittleren Sitzplatz nicht freilassen, weil . . . nun, weil sie dann ja weniger Sitzplätze verkaufen können, ist doch logisch!« Gegen die Vorsicht und für die schwarzen Zahlen – so skrupellos möchten die Theater nicht entscheiden und doch schütteln die Leser*innen über soviel Rücksichtslosigkeit der Fluggesellschaften den Kopf. Der Theatermann hingegen, holt zum Schlag aus, denn das Theater, so ist er sich sicher, liefert zwar keinen Impfstoff gegen das Virus, aber einen gegen »Verhärtungen und Verspinnungen im Kopf«. Wie schade, wird sich der eine oder die andere NZZ-Leser*in gesagt haben, dass Stemann mit diesem Beitrag die Corona-Chronik schließt.

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tag Theater Passionsspiele Corona-Chronik Fluggesellschaften Hygieneregeln Impfstoff Satire
Darstellende Kunst Corona-Chronik

Kritische Verteidigerin der hiesigen Demokratie . Neues Buch von Juli Zeh

by Andrea Gerk, Arno Orzessek (25 May 2020)
Original source: Deutschlandfunk Kultur

Juli Zehs Roman »Corpus Delicti« ist bereits 2009 erschienen. Es handelt sich dabei also nicht um einen Corona-Roman, auch wenn er thematisch hervorragend in unsere Zeit passt. Zeh behandelt in ihrer Dystopie das Thema Gesundheitsdiktatur, indem sie die Verführungskraft einer Gesundheitspolitik beschreibt, die allen ein langes und gesundes Leben verspricht. Die Bibel des Systems trägt den Titel »Gesundheit als Prinzip staatlicher Legitimation« und begründet die METHODE, mit der im Roman das Primat der Gesundheit des einzelnen und de r Gesellschaft rein logisch legitimiert wird. Um das Gesundheitsversprechen einzuhalten, werden von den Bürgern alle möglichen Daten gesammelt. Zehs Kritik an Selbstunterwerfung der Menschen im Blick auf Gesundheit, Fitness und Leistungsoptimierung ist unübersehbar.
Da der Roman Schullektüre ist, hat die Autorin nun einen Interviewband veröffentlicht, in dem sie die Fragen beantwortet, die Schüler*innen an sie gerichtet haben. Das Buch ist ein Selbstporträt der Bürgerin Juli Zeh und lässt durchaus kritische Reflexionen der Corona-Krise zu. Zehs Feststellung – »Es ist wirklich nicht leicht, das Unvernünftige an der Vernunft zu erkennen.« – lässt sich durchaus auf die Gegenwart übertragen.
Der Kritiker Arno Orzessek zeigt sich sehr von Zehs Buch angetan, teilt er doch ihre »Kritik an umfassendem Präventionsdenken, an Belohnungssystemen für korrekte, d.h. konforme Lebenssystemen«, wie sie aktuell in China zu beobachten sind. »Wenn man erst einmal glaubt, dass es im Leben und der Politik in erster Linie um die Abwehr jeder Form von Bedrohung geht, dann verblassen demgegenüber alle anderen Werte und ich fürchte, damit liegt sie richtig.«
In Bezug auf die Corona-Pandemie bewertet Orzessek das Buch als durchaus beachtenswert. Er selbst zeigt sich über die zeitweise »extreme Autorität der Virologen« in den letzten Wochen und Monaten sehr irritiert. Die Realität lediglich auf die vom Robert-Koch-Institut mitgeteilten aktuellen Fall- und Todeszahlen zu reduzieren, vernachlässigt doch viele wichtige Aspekte unseres Alltags. Auch die Autorin und Verfassungsrichterin Juli Zeh hat mit anderen Philosophen und Politkern bereits Ende April im »Spiegel« für die Wahrung der Verhältnismäßigkeit plädiert und konstruktive Vorschläge gemacht, wie in der Gegenwart die Rechte des einzelnen gewahrt werden könnten.

 

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tag Corona-Roman Dystopie Gesundheitsdiktatur Grundrechte Corpus Delicti Juli Zeh Konformismus
Wort Rezension

»Die Blockbuster haben ausgedient« . Museen nach dem Shutdown

by Hans D. Christ, Iris Dressler (23 May 2020)
Original source: Welt

Den Lockdown als eine Chance verstehen, das ist bei den Leitern des Württembergischen Kunstvereins in Stuttgart Iris Dressler und Hans D. Christ nicht nur eine Phrase. Sie wollen mit ihrem Lockdown-Programm ein Zeichen setzen und dazu anregen, den entstehenden Freiraum zu nutzen, um über die Fehler des Kunstbetriebs nachzudenken. Im Gespräch mit der WELT erläutern sie ihre Position.
Viele kulturelle Institutionen waren in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bei der Gestaltung von Ausstellungen auf ein Massenpublikum fixiert. So kamen Blockbu ster-Ausstellungen zustanden, die weniger an Inhalten orientiert waren. Der Lockdown und die in der Folge geringeren Besucherzahlen sollten dazu führen, dass »mehr Raum und Aufmerksamkeit für Qualität, Intensität und Nachhaltigkeit statt für Spektakel geschaffen« wird. Dabei sind Dressler und Christ überzeugt, können die großen Häuser von den kleineren Institutionen lernen.
Achtsamkeit ist aber nicht nur gegenüber dem Publikum wichtig, sondern auch gegenüber den Künstler*innen. Dass es in der Corona-Krise so viele Solo-Selbständige in der Kulturbranche gibt, sehen die beiden Kuratoren einerseits darin begründet, dass viele Institutionen Aufgaben ausgelagert haben, für die es früher Stellen gab. Andererseits werden Künstler*innen für ihre Arbeit oftmals nicht angemessen entlohnt. Hier bedarf es nicht nur verbindlicher, sondern auch angemessener Honorare. Darin sehen Dressler und Christ keinen Verlust von Freiheit, sondern vielmehr einen Beitrag zur Unabhängigkeit von Künstler*innen.
Voraussetzung hierfür ist aber auch, dass in Politik und Öffentlichkeit darüber diskutiert wird, worin die Aufgabe der Kunstinstitutionen in der Zukunft sein könnte. Die »poetische wie emanzipatorische Kraft« der Kunst sollte dazu genutzt werden zu zeigen, dass Dinge und Verhältnisse auch ganz anders sein könnten. Iris Dressler und Hans D. Christ vertreten hier die These, dass Kunst und vor allem auch öffentlich geförderte Kunstinstitutionen in den verschiedenen Diskursen von Klimakrise, sozialer Ungleichgewichte, digitaler Überwachung bis hin zu wachsendem Nationalismus und Rechtsradikalismus Denk- und Streiträume bereitstellen sollten.

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tag Museen Blockbuster Honorar
Bildende Kunst/Design Interview

Eine Frage der Klimaanlage? . Corona und Kulturveranstaltungen

by Reinhard J. Brembeck (22 May 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Schon vor der Krise war die Förderung der freien Kunstszene nicht sehr üppig. Aktuell gilt die Kunst der Politik nicht als überlebensrelevant. Während Hilfen für Lufthansa und die Lockerung für Fußballspiele diskutiert werden, werden Künstler*innen nur zögerlich unterstützt. Sogar große Orchester wie die Berliner Philharmoniker gehen in Kurzarbeit.
Zwar sind erste Veranstaltungen wieder möglich, doch im Vergleich zur den Veranstaltungen vor dem Lockdown sind es mickrige Kleinstveranstaltungen. Wenige Mu siker sehen sich einem enorm dezimierten Publikum gegenüber. Zwar möchten die Konzerthäuser nicht zum Virenhotspot werden, doch das Berufsverbot ruiniert sie finanziell. Häuser wie das Festspielhaus in Baden-Baden oder die Berliner Philharmoniker müssen einen großen Teil ihrer Einnahmen selbst erwirtschaften. Selbst reiche Institutionen sind bald pleite.
In dieser Situation verursacht es großen Unmut, dass Flugzeuge ohne Platzbeschränkungen wieder fliegen dürfen – weil ihre Klimaanlagen angeblich so gut sind, dass sie keine Eineinhalb-Meter-Klausel benötigen, um die Gäste sicher zu schützen. Die Konsequenz, die Reinhard J. Brembeck daraus ableitet, ist, dass die Künstler*innen ihre Forderungen genauso schamlos vorbringen müssen, wie das bei andere Wirtschaftszweigen in der Krise zu beobachten ist: » Mehr Druck wäre also notwendig und weniger Obrigkeitsduckmäusigkeit.«

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tag Konzerthäuser Berufsverbot Fluggesellschaften Hygieneregeln
Musik Kommentar

Hygieneregeln . Dem Publikum stehen keine leichten Zeiten bevor

by Jörg Häntzschel (19 May 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Jörg Häntzschel setzt sich in der Süddeutschen Zeitung kritisch mit den Hygieneregeln auseinander, die die Kultusminister der Länder gemeinsam mit der Kulturstaatsministerin Monika Grütters für Theater, Opernhäuser und Konzertsäle erarbeitet haben. Die vielen Eingriffe und Vorgaben für den Betrieb der Häuser führen vor Augen, dass auch die Wiedereröffnung mit schweren finanziellen Einbussen verbunden sein wird, wenn die Abstandregel von 1,50 Meter Distanz umgesetzt werden muss. Darüber hinaus muss nicht nur die Klimatechnik angepasst werden, sondern auch die Gesundheit der Besucher*innen im Blick behalten und der Abstand der Mitarbeiter*innen – sprich der künstlerischen Akteure auf der Bühne und bei Proben – im Blick behalten werden. Nur ein kleiner Lichtblick bleibt hier, dass die Regelungen für ganz Deutschland gelten soll und nicht jedes Bundesland seine eigenen Regeln auf den Weg bringt. Was Häntzschel allerdings mehr umtreibt als die konkreten Hygieneregeln ist die Art und Weise, wie aktuell mit Künstler*innen im politischen Diskurs umgegangen wird. Wird Kunst einerseits zu einer Art »säkularer Universalreligion« verklärt, die »Therapeutikum gegen Einsamkeit, Waffe gegen Populismus und Humus der Demokratie« sein soll, so werden die Künstler*innen selbst nüchtern-fiskalisch als Solo-Selbständige oder Kleinstbetriebe geführt, die zudem hinter Baumärkten und Autohäusern zurückstehen müssen. In den sehr detaillierten Empfehlungen, wie die Häuser die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs füllen sollen, sieht der Autor eine Form »kultureller Kriegswirtschaft«. Zeigt doch das Papier wenig Vertrauen in die Kreativität der Branche, die von ministerieller Seite nicht nur den Marschbefehl, sondern auch den Weg vorgegeben bekommt.

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tag Theater Kino Oper Hygieneregeln Universalreligion Monika Grütters kulturelle Kriegswirtschaft
Darstellende Kunst Bericht

Tanz auf Distanz . Choreographie und Corona

by Dorion Weickmann (12 May 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

Die Bühnen sind geschlossen und so sieht es auch in den Tanzstudios deutscher Opernhäuser deprimierend aus. Wenn aktuell geprobt werden kann, dann nur unter Einhaltung extremer Sicherheitsvorkehrungen. Ein Abstand von 8 Metern, wie er in den Studios des Stuttgarter Balletts aktuell eingehalten wird, ist nicht ungewöhnlich. So proben nur wenige Tänzer*innen gemeinsam. Für Klavierbegleitung und Ballettmeister ist meist kein Platz.
Tänzer*innen benötigen ein Studio, um halbwegs in Form zu bleiben. Anders als bei Schauspieler*innen o der Musiker*innen ist der Körper ihr Arbeitsmittel. Da dieser in Corona-Zeiten zur Gefahrenquelle geworden ist, wird er misstrauisch betrachtet. Doch auch wenn das social distancing als Höchststrafe für Tänzer*innen angesehen werden kann, dann hofft man in den Häusern nach wie vor, im Herbst wieder zum Normalbetrieb zurückkehren zu können. Das Repertoire wird daraufhin geprüft, was im Herbst wieder aufführbar sein könnte. Das Ergebnis dürfte ernüchternd sein: Tanz ohne Nähe ist kaum vorstellbar. Solo-Serien sind aber auf Dauer nicht das, was man zeigen und das Publikum sehen möchte. Dabei hat historisch gesehen die körperliche Berührung im Tanz erst mit dem Aufstieg der Ballerinen und der Vorliebe für Beziehungsdramen Einzug in das Ballett gehalten. Vielleicht liegt im verordneten Abstand auch eine Chance? Der neue Minimalismus könnte dazu führen, das Choreographen und Choreographinnen sich wieder mehr auf die »Tanzkunst als Kunst im Sinn von Handwerk, Ästhetik, Vision, Idee, Haltung« konzentrieren. Wenn es dem Tanz gelingt, sich unter Corona-Bedingungen neu zu Erfinden, dann könnte die Krise tatsächlich eine Chance sein.

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tag Tanz Choreografie Probe Minimalismus Repertoire Krise als Chance Körper
Darstellende Kunst Bericht

Corona-Chronik (8) . Krise als Chance, Theater zu Parkhäusern, Abgase zu Frischluft

by Nicolas Stemann (11 May 2020)
Original source: Neue Züricher Zeitung

In Woche 8 des Shutdown beobachtet der Co-Intendant am Schauspielhaus Zürich Nicolas Stemann, dass die Rückkehr zur Normalität nicht nur das Virus in Vergessenheit geraten lässt, sondern auch die unliebsamen Themen der Vor-Corona-Zeit wie die Klima- oder Flüchtlingskatastrophen scheinen der Vergangenheit angehören. Stattdessen hat sich in der Gesellschaft eine seltsame Stimmung breit gemacht: Man feiert sich als Helden, weil man den Shutdown selbst so gut überstanden hat, ist aber zugleich auch etwas enttäuscht, weil die Katastroph e nun eher die Qualität mittelguter Wellnessferien hatte. Enttäuschung über die angeblich richtig große globale Krisensituation macht sich breit.
Der Alltag nach der Krise ist allerdings für die Theater noch weit entfernt. Aber – so Stemann mit ironischem Unterton – die Krise ist ja auch eine Chance. Die Theater können zu alten Konzepten wie der vielzitierten Thomas-Meinecke-Parole »Theater zu Parkhäusern« zurückkehren. Wenn man im Parkhaus spielt oder die Zuschauer vom Kleinflieger aus auf die Bühne schauen lässt, ergeben ich völlig neue Finanzierungsmodelle – Auto- oder Luftfahrtindustrie ließen sich sicher gewinnbringend als Sponsoren gewinnen. 
Das Schlagwort von der »Krise als Chance« greift er abschließend noch einmal auf und führt dessen Zynismus vor. Diejenigen, die diese Chance nun gekommen sehen, hätten sie im Gegensatz zu den Menschen im Flüchtlingslager auf Moria auf Lesbos, in der Intensivstation in Manaus oder in den Slums von Mumbai auch vor Corona schon ergreifen können.

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tag Theater Autokino Krise als Chance Hygieneregeln
Darstellende Kunst Corona-Chronik

So könnte Theater . Kultur in München

by Egbert Tholl, Reinhard J. Brembeck (08 May 2020)
Original source: Süddeutsche Zeitung

In München haben Christian Stückl, der Intendant des städtischen Volkstheaters, und Anton Biebl, Kulturreferent der Stadt München, ein Konzept für ein Theater in Coronazeiten vorgelegt, von dem nicht nur die Münchner Bevölkerung, sondern auch die Bayerische Staatsregierung aus der Zeitung erfahren hat. Das Konzept ist keine Absichtserklärung, sondern enthält konkrete Pläne zum Neustart des Spielbetriebs. Stückl hat an seinem Haus die Spielzeitpause vorverlegt und möchte am 15. Juni wieder mit dem Probenbetrieb s tarten. Die kommende Saison soll dann nicht erst im Herbst, sondern bereits am 24. Juli beginnen. Geplant sind fünf “Corona-taugliche‟ Produktionen. Auch im Haus selbst wird es Umbauten geben. Jede zweite Reihe im Zuschauerraum soll entfernt werden und nur jeder vierte Platz besetzt sein. Um den Verlust an Zuschauerplätzen auszugleichen, wird auch die Bühne bestuhlt. Zwischen den beiden so geschaffenen Tribünen wird gespielt. Grundsätzlich sollen die Aufführungen jeweils rund eine Stunde dauern und ohne Pause gespielt werden. Auf diese Weise werden nicht nur Kontakte unter den Zuschauern vermieden, es könnten auch mehrere Aufführungen hintereinander gespielt werden. Um Szenen mit intensiver Körpernähe zu umgehen, müssten neue Konzepte erarbeitet werden. Stückl verweist hier auf die Darstellung von Kussszenen in Indien, wo ein Hackbrettsignal anzeigt, dass der Zuschauer sich Nähe der Figuren denken müsse. Aber nicht nur auf der Bühne wird an Hygienekonzepten gearbeitet. Die Werkstätten sollen durch ein Minimum an Ausstattung entlastet werden. Zudem denkt Stückl darüber nach, wie auch Gastschauspieler*innen wieder eingebunden werden können.
Ob das Konzept im Alltag den erwarteten Erfolg haben wird, kann auch Stückl selbst nicht versprechen, aber er stellt damit das erste Konzept vor, dass eine Idee von Normalität für den Spielbetrieb ermöglicht. Angesichts der wieder angelaufenen Bundesliga wird der Ruf nach der Öffnung der Spielstätten lauter – auch wenn er nicht so aussehen wird, wie vor dem Lockdown. Stückl und Bibl stellen damit auch die Planungen von Bayerns Kunstminister Bernd Sibler in Frage, der die Theater erst im Herbst wieder öffnen möchte und eine Rückkehr zur Normalität erst gegeben sieht, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht. Eine solch lange Durststrecke werden Theater, Opernhäuser und Orchester nicht überstehen können.

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tag Theater Zuschauer*innen Vorstellungen Hygieneregeln Christian Stückl Anton Biebl München
Darstellende Kunst Bericht

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Bei facing arts handelt es sich um ein non-profit-Projekt, das Sie gerne unterstützen können. Nutzen Sie dazu unser Kontaktformular – wir setzen uns gerne mit Ihnen in Verbindung!

Das Team

Facing arts ist ein Projekt von STORM.

STORM spielt als Akronym mit den Namen Miriam Seidler und Tim Otto Roth, die wie viele anderen Freischaffende von der Corona-Krise betroffen sind. Miriam Seidler ist promovierte Literaturwissenschaftlerin. Sie publizierte u.a. ein Übersichtswerk zum Alter in der zeitgenössischen Literatur und ist Herausgeberin der Buchreihe Ästhetische Signaturen. Neben ihrer freien wissenschaftlichen Forschung arbeitet sie aktuell als Lektorin und Fachfrau für Öffentlichkeitsarbeit. Tim Otto Roth ist promovierter Kunst- und Wissenschaftshistoriker, Konzeptkünstler und Komponist. In seiner künstlerischen Arbeit ist er vor allem bekannt durch Großprojekte im öffentlichen Raum, Kooperationen mit führenden Wissenschaftseinrichtungen und seine immersiven Licht- und Klanginstallationen.
Miriam Seidler und Tim Otto Roth arbeiten schon seit vielen Jahren immer wieder in unterschiedlichen Projekten zusammen. Neben gemeinsam kuratierten Ausstellungen hat Miriam Seidler das Projektmanagement für Roths immersive Licht- und Klanginstallation [aiskju:b] und die Pressearbeit für verschiedene Projekte übernommen. Mit facing arts realisieren sie ihr erstes künstlerisches Werk.
Weitere Informationen zu den beiden Projektinitiatoren erhalten Sie unter www.miriamseidler.de bzw. www.imachination.net.

Ein besonderer Dank gilt Paco Croket für die Programmierung der Tag Cloud!

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